Komödie | Frankreich 2015 | 104 Minuten

Regie: Michel Gondry

Ein zeichnerisch begabter, introvertierter 14-Jähriger freundet sich mit einem neuen Mitschüler mit großer Bastelleidenschaft an. Als die Sommerferien beginnen, starten die beiden Außenseiter mit einer selbstgebauten motorisierten Hütte einen abenteuerlichen Roadtrip durch Frankreich. Von fantasievollen Einfällen sprühender Jugendfilm, der einfühlsam die Unsicherheiten und Einsamkeit seiner pubertierenden Figuren porträtiert. Dabei setzt die Geschichte weniger auf Tricks als auf leise humorvolle Szenen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MICROBE ET GASOIL
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Partizan/StudioCanal
Regie
Michel Gondry
Buch
Michel Gondry
Kamera
Laurent Brunet
Musik
Jean-Claude Vannier
Schnitt
Elise Fievet
Darsteller
Ange Dargent (Daniel) · Théophile Baquet (Théo) · Diane Besnier (Laura) · Audrey Tautou (Marie-Thérèse) · Vincent Lamoureux (Steve)
Länge
104 Minuten
Kinostart
02.06.2016
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Road Movie
Externe Links
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Von fantasievollen Einfällen sprühender Jugendfilm von Michel Gondry

Diskussion
Die Glasluke einer Waschmaschine muss als Fenster herhalten, der Blumenkasten mit den rot-weißen Geranien soll Normalität versprühen. Im Notfall, wenn Polizisten vorbeifahren, rattert ein Brett herab und verdeckt die vier Reifen unter dem klapprigen Gefährt. Tarnung ist alles, Planung auch – vor allem wenn man mit 14 Jahren noch unter Aufsichtspflicht steht und einem die Kfz-Zulassungsstelle angesichts einer selbst gebastelten Platte mit Motor misstrauisch begegnet. Also stocken die beiden Jungen, die Mikro und Sprit genannt werden, auf: Aus Wellblech und ein paar Brettern zimmern sie eine „Wohnmobilie“ zusammen, um ihren Heimatort mitsamt den nervigen Eltern und Mitschülern hinter sich zu lassen, mal schiebend, mal fahrend, dann wieder vermeintlich harmlos am Straßenrand stehend, wenn die Polizei auftaucht – und ein Selfie schießt. Mikro und Sprit heißen eigentlich Daniel und Théo. Entsprechend ihrer Spitznamen ist der eine für sein Alter eher klein und wird oft für ein Mädchen gehalten; der andere ist neu in der Klasse, riecht wegen seiner Bastelleidenschaft nach Benzin und wird sich bald tatsächlich als Treibstoff in Daniels festgefahrenem Alltag erweisen. Beliebt sind sie beide nicht, woran noch andere „Defizite“ verantwortlich sein könnten: Daniel, das selbst deklarierte Fähnchen im Wind mit der liberal-indifferenten Mutter, wiegt und singt sich selbst in den Schlaf. Die Galerie-Ausstellung mit seinen Punker-Porträts will niemand besuchen – auch nicht Laura, in die er gar nicht so heimlich verliebt ist. Théo strotzt dagegen vor Selbstbewusstsein und Tatendrang, hat zu Hause aber eine herzkranke Mutter und einen herzlosen Vater sitzen, der ihn Kupferteile auf den Schrottplatz karren und dafür nur neue Vorwürfe ernten lässt. Den motorisierten Ausbruch zweier höchst gegensätzlicher Außenseiter beschrieb zuletzt Wolfgang Herrndorfs Roman „Tschick“, nur dass dem anarchischen Impetus bei Michel Gondry ein fantasievoller entgegengesetzt wird. Daniel und Théo verbindet nämlich weniger der Ausschluss als vielmehr die Fähigkeit, ihre Träume zu packen und auf dem Boden der Tatsachen zu realisieren. Hier wird nicht im retrospektiven Blick auf die Jugend erzählt, sondern direkt für Jugendliche. Nicht zu schnell, anknüpfungsfähig und unverkrampft kommen Andersartigkeit, Egozentrik und der Unterschied zwischen Liebe und Sex aufs Tableau – zum Beispiel wenn in einer hinreißend unschuldigen Szene der vom Internet abgeschottete Daniel, der sonst Lauras feine Gesichtszüge zeichnet, grob seine eigenen Masturbationsvorlagen skizziert. Nach „Vergiss mein nicht!“ (fd 36 491), „Science of Sleep“ (fd 37 809) oder „Der Schaum der Tage“ (fd 41 921) hat Gondry wieder einen Film über die Liebe gedreht – zu einem Menschen und einem Projekt, das auch in „Abgedreht“ (fd 38 638) und „The Green Hornet“ (fd 40 269) zwei Jungs verband, die diesmal jedoch wirklich welche sind und sich nicht nur so verhalten. In seinem zweiten Jugendfilm nach „The We and the I“ (2012) beweist Gondry, dieser Handwerker unter den Film-Fantastikern, dass er seine teils surrealen Bastelkunstwerke am Set nicht benötigt, um erneut von einem Träumer zu erzählen, der in einem zupackenden Gegenüber seinen Stabilisator findet. Dieses Auto sei wie Frankreich im Jahr 1940, sagt Théo einmal zu Daniel, der dabei wie ein Auto guckt: Aufgeben ist nicht. High-Tech auch nicht, als Daniel das vom Bruder aufgedrängte iPhone ausgerechnet in die selbst ausgehobene Waldtoilette rutscht. Als wenn er seiner jungen Zielgruppe mehr Einfallsreichtum zutraue, besteht Gondrys erstaunlich geerdete Geschichte weniger aus Tricks als aus leise humorvollen Szenen, die dazu auffordern, die Auslassungen jugendlicher Einsamkeit selbst zu vervollständigen: Wenn Daniel und sein kleiner Bruder auf dem verlassenen Fußballplatz in gespielter Zeitlupe zu Théos Beatbox-Kommentar einen Torschuss simulieren oder Théo sich mit hochgehaltenem Sektglas auf Daniels Ausstellung durch eine Besuchermasse laviert, die es gar nicht gibt, dann lässt Gondry im Vakuum des Ausschlusses wunderschöne Innenwelten entstehen und an ihnen teilhaben. Hier wird nicht mit der großen Kelle aus einer Ursuppe namens Pubertät geschöpft, sondern selbst in den Unsicherheiten und Verletzungen dieses Alters melancholische Schönheit gefunden. So wundert es nicht, dass sich die letzten Blicke des Films nicht nur auf ein Mädchen richten, sondern auch von einem stammen und dabei eine von Théos Lektionen übermitteln, die traurig und doch ein bisschen tröstlich ist: Desinteresse schafft Begehren, glücklicherweise auch umgekehrt.
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