Vier Jugendliche treiben durch eine Münchner Sommernacht. Es wird dunkel, es wird hell, dazwischen wird viel geskatet, Bier getrunken, man lacht und hängt gemeinsam ab. Eine betont handlungsarme semidokumentarische Etüde um eine „magische Nacht“, den Zauber der Jugend und eine gemeinsame Leidenschaft, in der sich die vier Laiendarsteller innerhalb eines abgesteckten Rahmens selbst spielen. Dabei nehmen das Skaten und die Fachsimpelei darüber allzu viel Raum ein, was den Film eher für die Skateboard-Szene qualifiziert.
- Ab 14.
Nightsession
Dokumentarfilm | Deutschland 2015 | 88 Minuten
Regie: Philipp Dettmer
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Deutsche Exotik Filmprod.
- Regie
- Philipp Dettmer
- Buch
- Philipp Dettmer
- Kamera
- Chris Behnisch
- Musik
- Steff J. Hummel
- Schnitt
- Frank Brandstetter
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- 14.04.2016
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Semidokumentarischer Film mit vier Skatern, die sich eine Sommernacht lang durch Münchnen treiben lassen.
Diskussion
Es gibt Nächte, magische Nächte, die sich, wenn die Sonne über der Stadt aufgeht, so anfühlen, als würde, müsste, muss sich alles ändern. Vielleicht haben sie ja das Leben wirklich verändert, ein bißchen jedenfalls. Von so einer Nacht erzählt Philipp Dettmer in „Nightsession“. Über Freundschaft und Jugend, vor allem aber über eine Zeit, die sich endlos dehnt. Was zählt, ist der Moment – oder, wie es einer der vier porträtierten Skater formuliert: „Ohne Fun keinen Spaß.“
Frei von jeder Dramaturgie folgt Dettmer vier jungen Skatern, alle Mitte 20, durch eine Münchner Sommernacht. Der Regisseur hat offenkundig nach bekannten Skatern gesucht, es geht öfters um „Instagram“ und „Follower“. Die Nacht beginnt am frühen Abend. Noch scheint die Sonne auf die Theresienwiese. Hier wird gerade das Oktoberfest aufgebaut, es ist also Mitte September, Spätsommer. Für manche die schönste Zeit im Münchner Jahr. Es gibt Augustinerbier, im Anschluss Döner und Falafel für den Vegetarier. Zeit für einen kurzen persönlichen Exkurs: Jonas erzählt, seit wann er Vegetarier ist. Persönliche Momente bleiben allerdings die Ausnahme auf dem nächtlichen Trip durch die Stadt; auch Frauen kommen praktisch nicht vor, weder im Gespräch noch als Bild, wie es auch keine Zufallsbegegnungen gibt. Es geht im Wesentlichen ums Skaten, um Spots und Tricks.
Inzwischen ist es Nacht. Nach ein paar waghalsigen „Lipslides“ – Gleitpartien mit dem Board über ein Treppengeländer hinab – geht es auf die Leopoldstraße, zum Siegestor, wieder gibt es Bier. Der Königsplatz, der Brunnen am Stachus: Dettmer hakt einige Sehenswürdigkeiten ab, aber eben aus der Skater-Perspektive. Am Königsplatz findet sich eine Strohballen-Installation – „Das ist Kunst!“ –; Tom klettert auf einen der Ballen und macht einen halbherzigen Versuch. Kein guter Spot, also lieber zu einem Un-Ort, einer Tiefgarage oder einem Fitness-Center mit steilem Treppengeländer oder langen, verlockenden Fluchten.
Ein wenig fehlt dem Film die Balance zwischen dem Skaten und seiner Fachsprache, seinen Tricks und der Beschwörung eines Lebensgefühls. Das Skaten überwiegt und wird ein bißchen zur Nummernrevue, die der Nacht ihren Fluss, ihre Magie stielt. Es existiert wohl keine andere (Fun-)Sportart, die so sehr mit einem jugendlich-sentimentalen, auch urbanen Lebensgefühl verstrickt ist und die es deshalb, als Sehnsuchtsprojektion, derart auf die Leinwand zieht: Gus Van Sants „Paranoid Park“ (fd 38 716), der großartige argentinische Film „Somos Nosotros“ (2010) von Mariano Blanco, in Deutschland zuletzt Marten Persiels Mockumentary über die ostdeutsche Skater-Szene „This Ain’t California“ (fd 41 221) oder, ganz neu und wunderschön, die Dokumentation „When the Earth Seems to be Light“ (2015) um einige junge Skater in Georgien. Allen diesen Filmen ist gemein, dass sie das Skaten transzendieren und das immanente Lebensgefühl herausarbeiten.
Zwei der Darsteller in „Nightsession“ sind Freunde, die anderen kennen sich lose vom Skaten. Vielleicht ist es diese Distanz, die sich überträgt: Hier lernen sich Menschen in einer Nacht kennen (beziehungsweise in den fünf Nächten, in denen gedreht wurde), sie sind nicht schon ewig Kumpels. So gerät „Nightsession“ ein wenig zum Film von Skatern für Skater, in Reminiszenz an Spike Jonzes ikonische Skatervideos vielleicht. Trotz der Distanz sind die besten Momente jene beiläufig aufgenommenen Szenen, an der Tankstelle, auf dem Abenteuerspielplatz, rund ums Schlachthofgelände, wenn es hell wird, in denen nicht oder ganz nebenbei geskatet wird. Hier greift „Nightsession“ nach dem Lebensgefühl: Die Magie wird spürbar.
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