Biografischer Spielfilm über Fritz Lang (1890-1976), der auf dem Höhepunkt seines Ruhms als Stummfilm-Regisseur auf den Kriminalfall des Düsseldorfer Massenmörders Peter Kürten stößt und seine Recherchen zur Grundlage seines ersten Tonfilms „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (1931) macht. Eine in bestechendem Schwarz-weiß fotografierte Melange aus Fakten und Fiktionalisierung, die sich kenntnisreich auf Langs spezifischen Bilderkosmos einlässt, dabei Facetten aus Langs komplizierter Persönlichkeit aufgreift und zeithistorische Zusammenhänge herstellt. Auch wenn der komplexe „Referenzzwang“ mitunter etwas akademisch erscheint, ein höchst inspirierender Einblick in ein Kapitel Filmgeschichte.
- Ab 16.
Fritz Lang
Biopic | Deutschland 2015 | 104 Minuten
Regie: Gordian Maugg
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Belle Epoque Films/Gordian Maugg Film/ZDF/arte
- Regie
- Gordian Maugg
- Buch
- Gordian Maugg · Alexander Häusser
- Kamera
- Lutz Reitemeier · Moritz Anton
- Musik
- Tobias Wagner
- Schnitt
- Florentine Bruck · Olivia Retzer
- Darsteller
- Heino Ferch (Fritz Lang) · Thomas Thieme (Kriminalrat Gennat) · Samuel Finzi (Peter Kürten) · Johanna Gastdorf (Thea von Harbou) · Lisa Charlotte Friederich (Lisa Rosenthal / Anna Cohn)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- 14.04.2016
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Krimi
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Zwischen Facts und Fiction: Biografischer Film über den Regisseur von „M“, fotografiert in bestechendem Schwarz-weiß
Diskussion
In Fritz Langs Tonfilmklassiker „M – Eine Stadt einen Mörder“ aus dem Jahr 1931 spielt Peter Lorre hinreißend den manisch getriebenen Kindermörder Hans Beckert. Legendär die Szene, in der er, in die Enge getrieben, sein Innerstes offenbart und erzählt, wie er vor sich selbst davonlaufen will, sich aber nicht entkommen kann. „Wer weiß denn, wie es in mir aussieht?“, kreischt er.
Dieses Motiv des heillos Getriebenen auf dem schmalen Grat zwischen Opfer und Täter, psychischer und sozialer Deprivation, zwischen sozial anerkannt und brutal ausgegrenzt überträgt Gordian Maugg in seinem biografischen Spielfilm auf den Schöpfer des Kinofilms „M“ selbst: Auch Fritz Lang (1890-1976) ist ein Getriebener, der bei aller öffentlichen Anerkennung als der Star-Regisseur von „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ seelisch krank ist, gezeichnet von Mangel, Verlust und Entzug. Auf dem Kinoplakat sieht man den verblüffend agierenden Heino Ferch als Fritz Lang, wie er die berühmte ikonische Haltung von Peter Lorre einnimmt: Wie Lorre schaut auch Lang über seine Schulter und entdeckt in seinem Spiegelbild das Zeichen auf seinem Oberarm, das „M“, das ihn verfolgt, zeichnet, stigmatisiert.
Wer mit Fritz Lang, seiner Biografie sowie seinem filmischen Werk nicht vertraut ist, wird sich schwertun, in Mauggs Film festen Boden unter den Füßen zu finden. Was vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung dafür ist, den Film nicht als biografisches „Dokument“ misszuverstehen, sondern ihn als visuellen Bewusstseinsstrom in gewisser Weise unbefangen auf sich einwirken zu lassen. Als eine kluge Montage aus bestechend fotografierten schwarz-weißen Spielszenen, Ausschnitten aus Langs Filmen und dokumentarisch-authentischen Impressionen, die die pulsierende Großstadtatmosphäre der Weimarer Jahre einfangen. Womit Mauggs komplexes Erzählprinzip allerdings erst ansatzweise beschrieben ist; denn die inszenierten Spielszenen bilden ihrerseits ein akribisches Referenzsystem, das sich in Einstellungen, Montage und Bildmotivik immer wieder auf Fritz Langs Werk bezieht: Schatten, Gitter, Gänge, Spiegel, die mal das Bild zurückwerfen, mal durchblicken lassen, Zeitungsschlagzeilen, trügerische Fotodokumente, Zeichen als Symbole, in denen sich die Erzählung fokussiert.
Maugg geht noch einen Schritt weiter: Während er in filmischen Vignetten Langs Befindlichkeit einfängt, seine Geltungssucht, seine Flucht in Drogen, Alkohol und sexuelle Abenteuer, seine Gier nach Luxus, Ruhm und Anerkennung, wird die Jagd des Regisseurs nach einer neuen Film-Story zum Movens der Handlung. Lang stößt auf den Kriminalfall des Düsseldorfer Massenmörders Peter Kürten, mischt sich in die laufenden Ermittlungen ein, sucht und findet Kontakt zu Kürten nach dessen Verhaftung. Stets durchdringen sich Fiktion und Fakten, Fantasie und Realität greifen gleichberechtigt ineinander. Lang will Kürtens Beweggründe aufdecken und (nach-)empfinden, nicht zuletzt weil er eine Erklärung für seine eigene Psyche sucht, nach einem Weg zu Sühne und Vergebung.
Bei alldem sollte man doch wohl ein „Kenner“, ein Lang-Connaisseur sein, der die Zusammenhänge dieses „Wie es in mir aussieht…“ begreift und ausdeutet. Dazu gehören auch die politischen Verknüpfungen, wenn sich der Wahnsinn des Einzelnen im „Wahnsinn“ eines Staatsapparats spiegelt, der in Totalitarismus und das Zerrbild eines „neuen Menschen“ abdriftet. Solcher Facettenreichtum ist extrem inspirierend, und doch trägt Mauggs Jonglieren mitunter schwer an der Fülle seiner Elemente. Es wirkt gelegentlich recht akademisch, und der „Referenzzwang“ erweist sich als Fessel, die einen eigenständigeren Erzählfluss eher hemmt. Wenn Lang immer wieder an seelische Grenzen stößt und unter der Last seiner Erinnerungen und Visionen die Kontrolle verliert, ist das zwar intensiv in Szene gesetzt, wirkt aber auch ausgestellt und erwächst nicht zwangsläufig aus der Erzählung selbst. So beeindruckt Mauggs expressive Inszenierung, sein Spiel mit Artefakten bleibt aber eher kühl statt empathisch.
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