Verfilmung von Henrik Ibsens Theaterstück „Baumeister Solness“ (1892) über die Lebenskrise eines alternden Architekten, der von einer Bekanntschaft an den Rand des Wahnsinns gebracht wird. Die in der Titelrolle brillant gespielte Adaption modernisiert geschickt die historische Vorlage und wendet die Konflikte angenehm unverkrampft ins Archetypische. Themen wie Alter, Krankheit und das Gefühl, Mitmenschen gegenüber nicht gerecht geworden zu sein, verbindet die Inszenierung mit kritischen Kommentaren zum Neoliberalismus sowie zur wirtschaftlichen Krise der Gegenwart.
- Ab 16.
Solness
Drama | Deutschland 2015 | 83 Minuten
Regie: Michael Klette
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2015
- Produktionsfirma
- Schiwago Film/ZDF/arte/3sat
- Regie
- Michael Klette
- Buch
- Michael Klette
- Kamera
- Ralf Noack
- Musik
- Hector Marroquin · Stefan Maria Schneider
- Schnitt
- Beatrice Barbin · Till Ufer
- Darsteller
- Thomas Sarbacher (Solness) · Julia Schacht (Hilde) · Doris Schretzmayer (Aline) · Robert Stadlober (Jakob) · André M. Hennicke (Dr. Herdal)
- Länge
- 83 Minuten
- Kinostart
- 23.06.2016
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Angenehm zeitgemäße Verfilmung des Theaterstücks "Baumeister Solness" von Henrik Ibsen
Diskussion
Von diesem Mann ist nicht mehr viel zu erwarten. Verbissen zieht der Stararchitekt Solness tagtäglich sein Fitnessprogramm durch und quält sich anschließend ächzend unter die Dusche, doch gesund sieht er nicht aus. Im Gegenteil: Dass Solness ausgepowert ist und sich nur noch mühsam auf die Baustellen schleppt, ist so offensichtlich, dass seine Kollegen bereits Witze über ihn reißen. Dass ihn außerdem eine schwere Krankheit innerlich auffrisst, ahnt man schon, bevor der Arzt eine intensive Untersuchung anordnet.
Wie herausragend es dem Schauspieler Thomas Sarbacher gelingt, diese körperlich verbrauchte Figur so zu gestalten, dass der Mittfünfziger mindestens zehn Jahre älter erscheint, gehört zum Ersten, was in der modernisierten Adaption von Henrik Ibsens Theaterstück „Baumeister Solness“ positiv auffällt. Auch sonst erweist sich Solness schnell als fesselnder Charakter: ein Selbstdarsteller und Egomane, der sich bodenständig gibt, keine Scheu vor Beleidigungen kennt und die Ideen seiner Angestellten skrupellos als seine eigenen ausgibt. Trotzdem kann man ihm einen Hauch von Sympathie nicht versagen. Immerhin ist er mit einem Büro voller ehrgeiziger Jungspunde „mit komischen Frisuren und harmlosen Gesichtern“ (Solness) geschlagen, bei deren Anblick sofort einsichtig ist, warum der alternde Architekt fürchtet, von der Jugend überrollt zu werden. Was nach ihm kommt, wird jedenfalls kaum besser sein.
Geblieben sind aus Ibsens Original vor allem die biografischen Eckdaten: Solness’ früherer Ruhm als Kirchenbauer, der Tod seiner Kinder und in der Folge Trauer und Entfremdung bei seiner Frau Aline, kreativer Leerlauf bei ihm selbst. Ansonsten hat der frühere Theaterregisseur Michael Klette die Vorlage in seinem Spielfilmdebüt bemerkenswert unverkrampft modernisiert. Die psychologische Ausgestaltung der Figuren von 1892 und ihre Sprache sind auf die heutige Zeit umgedeutet, dem Archetypischen wird der Vorrang vor blinder Werktreue eingeräumt.
Die Handlung weicht deshalb immer wieder von der Vorlage ab und bleibt unvorhersehbar. Neben Solness ist das vor allem der jungen Hilde Wangel zu danken, die sich dem älteren Mann mit der Behauptung aufdrängt, dass er ihr vor zehn Jahren versprochen habe, ein Schloss für sie zu bauen. Die Norwegerin Julia Schacht spielt Hilde als filigrane Kindsfrau, die sich jedoch durchaus zu behaupten weiß und Solness mit raffiniertem Lolita-Gehabe zielstrebig den Kopf verdreht. Während dieser nicht weiß, was er davon halten soll, hat ausgerechnet seine apathische Frau Gefallen an dem quirligen Gast: „Sie bringt mal ein bisschen Leben in die Bude.“
Mit Solness’ Alter und Krankheit sowie dem Gefühl der Schuld gegenüber seinen Mitmenschen schon gut ausgelastet, findet der Theaterfilm trotzdem noch Raum für einen kritischen Kommentar zu Neoliberalismus und Wirtschaftskrise. Filmisch fällt der allerdings nur bedingt originell aus: Grautöne und fahler Neonschein kennzeichnen die Kälte einer gefühllosen Arbeitswelt, hohe Decken und extreme Untersichten auf die Gebäude betonen die Verlorenheit der Figuren, eine Disco-Szene mit flirrendem Stroboskop-Licht umreißt das fade Feierabend-Amüsement der jungen Karrieristen. An der visuellen Gestaltung dürfte es also weniger gelegen haben, dass es gerade „Solness“ jetzt zu einem Kinoeinsatz bringt, im Gegensatz zu anderen, durchaus gelungenen neueren Theatermodernisierungen wie Nuran Calis’ „Woyzeck“ (2013) oder dem ebenfalls von Klette geschriebenen „Kasimir und Karoline“ (2011). Eher dürfte es dem universelleren Anspruch des großen Menschenschöpfers Ibsen zu verdanken sein, dem Zeit-, Ort- und Handlungsverschiebungen verblüffend wenig anhaben können, sofern sie so überlegt erfolgen wie hier.
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