Eddie Mannix (Josh Brolin) verschlägt es die Sprache. Als Executive des Hollywood-Studios Capitol Pictures ist er zu Beginn der 1950er-Jahre eine Art Mädchen für alles und trägt dabei die Sünden der (Film-)Welt auf seinen Schultern. Die neueste Strapaze: Mannix soll sich von führenden Vertretern der Glaubensgemeinschaften eine an „Ben Hur“ angelehnte Verfilmung des Lebens Jesu mit dem Titel „Hail, Caesar!“ absegnen lassen. Auf die Frage, ob die Jesus-Darstellung im Drehbuch denn angemessen sei, entgegnet der orthodoxe Priester trocken: „Ich habe schon Schlimmeres gesehen.“ Sein katholisches Pendant hängt sich derweil an der Dreifaltigkeit auf, und für den jüdischen Rabbi steht fest: „Gott ist Junggeselle, und er ist wütend – nur nicht auf die Juden!“
Solch ein pointierter Schlagabtausch gehört nicht nur für die Coen-Brüder, sondern auch für Mannix zum Tagesgeschäft. Ansonsten fängt der „Fixer“ flügge gewordene Starlets ein, dirigiert Klatschreporter (in herrlicher Doppelrolle: Tilda Swinton) und besänftigt Regisseure (prächtig pikiert als George-Cukor-Verschnitt: Ralph Fiennes), die an ihrem Hauptdarsteller verzweifeln. Zugleich müssen die Ehen und die uneheliche Schwangerschaft von Wassernixen-Darstellerin DeeAnna (Scarlett Johansson) vertuscht werden, die wie Esther Williams durch ihre synchronschwimmenden Komparsinnen hechtet, ansonsten aber das messerscharfe Mundwerk eines Haifischs besitzt. Und dann wird zu allem Überfluss auch noch Baird Whitlock, der Römer-Hauptdarsteller von „Hail, Caesar!“ entführt (selbstgebräunt-dekadent: George Clooney): „Die Zukunft“ nennen sich die kommunistischen Entführer aus unterbezahlten Statisten und Drehbuchautoren, die ihre Ideen klammheimlich in große Hollywood-Filme und nun in den eher kleinen Geist ihres Entführungsopfers zu schmuggeln versuchen.
Wie Larry Gopnik aus „A Serious Man“
(fd 39 690) ist Mannix dabei ein ernsthafter Mann in semi-ernsthaften Umständen. Wobei seine tägliche Beichte in ihrer Kombination aus Taktung und Harmlosigkeit sogar dem Beichtvater zu viel wird. Unbestreitbar wird Mannix geprüft – nicht von Gott wie Gopnik als moderne Hiob-Figur, sondern von einem Haufen Clowns und Spinnern. So jedenfalls umschreibt der Vertreter des Luftfahrtunternehmens Lockheed Eddies Arbeitsumfeld – und hält ihm das Foto einer Wasserstoffbomben-Explosion unter Nase, nebst einem lukrativen Jobangebot. Reichtum im Ruhestand würde auf Eddie warten; dass der bevorstehende Siegeszug des Fernsehens zum Niedergang des Filmgeschäfts führe, müsste ihn dann nicht mehr kümmern.
Die Vorboten der heutigen Streaming-Dienste sowie die Streiks der Drehbuchautoren 1988 und 2007 klopfen bei den Brüdern Coen schon zu einer Zeit an Hollywoods Tore, als die Filmstudios noch auf jede Menge Befindlichkeiten achten mussten. Und gleichzeitig versuchten, das Publikum mit politischen Nichtigkeiten und Pomp aller Art von zwei Weltkriegen sowie dem gerade heiß laufenden Kalten Krieg abzulenken. Dementsprechend springt „Hail, Caesar!“ von Beginn an zwischen Set-Aufnahme und Realität: auf der einen Seite Eddies aus dem Off von einem Erzähler kommentierter Alltag zwischen Beichtstuhl und Schadensbegrenzung, auf der anderen die kunterbunte Welt der Filmstudios – vor Ausstattung strotzende Sandalenfilme, homoerotisch angehauchte Musicals mit singenden Matrosen, Western, in denen der Held gewagte Kapriolen vollführt, während er im anderen Outfit für eine Broadway-Adaption keinen geraden Satz herausbringt. Derweil bricht in den Totalen immer wieder der Studio-Charakter des Gezeigten durch. Und plötzlich kopiert die (Film-)Realität auch noch den Film – ausgerechnet durch einen Überläufer zum kommunistischen Feind, inklusive vom Mond erhellten Ruderboot und einem U-Boot, das mit dickem roten Stern durch die Wasseroberfläche bricht.
Die Coen-Brüder spiegeln mit großer Leichtigkeit, perfekter Ausstattung und sichtlichem Vergnügen die Auswüchse der Goldenen Ära der Hollywood-Studios. Souverän halten sich Persiflage und Hommage die Waage und lassen zugleich gesellschafts- und kulturpolitische Missstände durchschimmern. Es war ja nicht alles Gold, was damals glänzte: die grausame Verfolgung von Kommunisten; die Studios als Gewinne einstreichende Produktionsstätten; die Einflussnahme auf das Privatleben der Stars, die wie Marionetten zwischen Luxus, Betüddeln und Instrumentalisierung pendeln. Eddie Mannix’ Status als die kleinen Sünden (er)tragende Heiland-Figur verfängt erst am Ende, als er seinen Beichtvater fragt, ob er den schweren oder leichten Weg gehen soll. Das China-Restaurant mit der Versuchung durch den Lockheed-Vertreter wird zur Negev-Wüste, die erste Einstellung mit dem gekreuzigten Jesus nachträglich zum Wink mit dem Zaunpfahl: „What would Jesus do?“
Die selbstreferenziellen Bezüge, das vergnügliche Schwelgen in den Studiosets und eine kongeniale Besetzung prädestinieren „Hail, Caesar!“ zwar nicht gerade als das Glanzstück im Schaffen der Coens; doch dass die zwischen Settings und vielen Figuren mäandernde Geschichte weniger tief lotet als manch anderer Stoff der Regie-Brüder, ist durchaus auch dem Sujet geschuldet, in dem sich sehr bewusst eine gewisse Oberflächlichkeit spiegelt. Schließlich glänzten die Filme der goldenen Studio-Ära ja auch meist durch Ausstattung und Besetzung.
Dazu passt, dass die Krisenherde unserer Gegenwart ebenfalls gerade am Überkochen sind. In Mannix’ Entscheidung aber scheint ein Lösungsweg auf. Und der geht klar Richtung Menschlichkeit, mit all ihren Schwächen.