Larry Gopnik unterrichtet an einem kleinen College im Mittleren Westen Physik. Er hofft, dass ein laufendes Evaluierungsverfahren ihm bald eine Professur eintragen soll, als er sich plötzlich mit allerlei Problemen konfrontiert sieht. Ein Kollege berichtet, dass die Universität anonyme Briefe erhalten habe, in denen Larrys Charakter verleumdet würde, während ein Student bereit scheint, wahlweise zu Bestechung oder Erpressung zu greifen, um eine bessere Zensur durchzusetzen. Zuhause wird der brave, kleinlaute Mann von seiner energischen Ehefrau mit der Nachricht überrascht, dass sie die Scheidung will, um einen gemeinsamen Bekannten zu heiraten. Als Larry deshalb einen Anwalt aufsucht, muss er diesen auch in einer anderen Sache konsultieren, will ihm sein Nachbar doch einen Teil seines Gartens streitig machen. Als wäre das noch nicht genug, bekommt es sein Bruder, ein verquerer Eigenbrötler, der sich auf unbestimmte Zeit in Larrys Haushalt einquartiert hat, mit der Polizei zu tun. Innerhalb weniger Tage sieht Larry seine Karriere, seine Familie und seine finanzielle Existenz bedroht, und immer nervöser stellt er sich die Frage, warum ausgerechnet ihn dieses Unheil befällt. Woraufhin der arme Kerl eine Antwort bei den Rabbis seiner Gemeinde sucht.
„Burn After Reading“
(fd 38 911) der Coen-Brüder begann mit einer Satellitenaufnahme des Washingtoner Umlands, wo die Handlung spielt, und endete damit, dass die Kamera zum außerirdischen Ausgangspunkt zurückkehrte. Die Abgehobenheit dieser Perspektive brachte in gewisser Weise das gesamte Œuvre der Coens auf den Punkt; ähnlich distanziert und „von oben herab“ scheinen die beiden nämlich generell auf das kuriose Treiben ihrer Figuren zu blicken. Kritiker haben oft angemerkt, dass diese Erzählperspektive entweder einen teilnahmslosen Gott suggeriere oder aber die Abwesenheit jeder sinnstiftenden Instanz, mithin das Walten eines blinden Schicksals. Während die Idiotie der meisten Figuren dadurch unterstrichen wird, dass sie sich der amüsanten Absurdität der Situationen, in die sie geraten, nicht einmal bewusst werden, stellen sich einige wenige, etwa der farblose Mörder aus „The Man Who Wasn’t There“
(fd 35 136) oder der melancholische Sheriff aus „No Country for Old Men“
(fd 38 601), immerhin zaghaft die Sinnfrage. Doch noch nie im Kino der Coens hat jemand so verzweifelt mit seinem Schicksal gehadert und so nachdrücklich nach dem Sinn des Ganzen gefragt wie der Protagonist in „A Serious Man“.
Der Handlungsort ist jenem Suburb in Minneapolis nachempfunden, in dem die Coens aufwuchsen, einem der wenigen Orte im amerikanischen Hinterland, der deutlich von einer starken jüdischen Minderheit geprägt ist. Dass die Handlung 1967 spielt, scheint indes in anderer Hinsicht signifikant: Der „Sommer der Liebe“, den die Hippies in San Francisco feiern, hat die amerikanische Prärie allenfalls in Gestalt des Songs „Somebody to Love“ von Jefferson Airplane erreicht, dessen Text in einem Subplot eine überraschende Bedeutung erhält, womit sich bereits andeutet, dass die Generation von Larrys pubertierenden Kindern künftig andere Antworten auf existenzielle Fragen suchen wird. Ein kurzer Prolog hat vordergründig nichts mit der Handlung zu tun; wenn er alte jüdische Volkssagen variiert, ruft dies die vergangene Welt eines osteuropäischen Schtetls in Erinnerung, wo Glaube (und Aberglaube) auf alle Fragen eine Antwort boten. Im Unterschied dazu scheint Larrys säkularisierte, aber noch nicht vollends liberalisierte Gegenwart in jeder Hinsicht von fundamentaler Unbestimmtheit geprägt: Er selbst lehrt seine Studenten quantenmechanische Theorien, die die Grenzen wissenschaftlicher Erkenntnisfähigkeit illustrieren, während sich die Rabbis mit Küchenphilosophie beziehungsweise mit Anekdoten behelfen, die den Betrachter amüsieren, für Larry aber keine brauchbare Pointe enthalten.
Den einzigen praktischen Rat erhält Larry aus unberufenem Mund: „Akzeptiere das Mysterium!“ Damit ließe sich wohl auch das Zitat eines mittelalterlichen jüdischen Gelehrten zusammenfassen, das dem Film vorangestellt ist, und vielleicht bieten die Worte auch eine Lesart jener alttestamentarischen Geschichte, die man mit etwas Fantasie als Vorlage des Drehbuchs identifizieren kann. In den USA, wo selbst Filmkritiker bibelfest sind, versäumte jedenfalls kaum ein Rezensent, darauf hinzuweisen, dass „A Serious Man“ das Buch Hiob paraphrasiere. Doch wenn Larry ein moderner Hiob ist: Welche alttestamentarische Rolle spielen hier dann die Coens? Ist es die Rolle Gottes oder doch eher die jener anderen Figur, die Hiobs Unheil anstößt? Joel Coen äußert im Presseheft, der Film werfe einen „sehr liebevollen Blick“ auf die abgebildete Gemeinschaft, doch in der eleganten, wenngleich nie extravaganten Inszenierung ist von einer vermeintlichen Zuneigung für die Figuren wenig zu spüren. Ethan Coen wiederum merkt an, dass man den in Minnesota gedrehten Film zum guten Teil mit lokalen Schauspielern besetzt habe, um Hollywoods ethnische Stereotype zu unterlaufen; tatsächlich rückt die Inszenierung, mitunter auch Make-up und Lichtsetzung, die Figuren in ein ausgesucht unvorteilhaftes Licht, weshalb einige amerikanische Kritiker in dem Film denn auch nur jüdische Karikaturen erkennen mochten. Bezeichnend ist daher ein anderer Satz, den Ethan Coen zu Protokoll gab: „Der Spaß an dieser Geschichte bestand für uns darin, neue Wege zu finden, um Larry zu foltern.“