Im Schatten der Frauen

Drama | Frankreich/Schweiz 2015 | 73 Minuten

Regie: Philippe Garrel

Ein Dokumentarfilmer arbeitet mit seiner Lebensgefährtin zusammen und beginnt eine Affäre mit einer jungen Praktikantin, was ihn in Gewissensnot bringt. Als er erfährt, dass auch seine Partnerin einen Liebhaber hat, droht die Welt für ihn unterzugehen. Das virtuos inszenierte Drama erzählt von der Ungleichzeitigkeit der Gefühle und der Unsicherheit der Liebe, Treue, Erfolg und Anerkennung. Der in den Hauptrollen perfekt gespielte, in meisterhaft austarierten schwarz-weißen Scope-Bildern fotografierte Film lebt von einer auf das Wesentliche reduzierten Szenenfolge von Begegnungen, Gesprächen und Blicken. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
L' OMBRE DES FEMMES
Produktionsland
Frankreich/Schweiz
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
SBS Prod./Close Up Films/Le Fresnoy Studio National des Arts Contemporains
Regie
Philippe Garrel
Buch
Philippe Garrel · Jean-Claude Carrière · Caroline Deruas · Arlette Langmann
Kamera
Renato Berta
Musik
Jean-Louis Aubert
Schnitt
François Gédigier
Darsteller
Clotilde Courau (Manon) · Stanislas Merhar (Pierre) · Lena Paugam (Elisabeth) · Vimala Pons (Lisa) · Antoinette Moya (Manons Mutter)
Länge
73 Minuten
Kinostart
28.01.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Filmagentinnen (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
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Schwarz-weißes CinemaScope-Drama von Philippe Garrel über die Ungleichzeitigkeit der Gefühle

Diskussion
Pierre und Manon sind schon seit Langem zusammen. Er dreht Dokumentationen, sie kümmert sich um den Schnitt und alles andere. Im Moment machen sie einen Film über die Résistance. Finanziell kommen sie gerade so über die Runden. Allerdings wirkt sich Pierres Erfolglosigkeit auch auf ihre Beziehung aus. Irgendwie ist die Luft raus; missmutig und gebeugt schlurft Pierre durch sein Leben. Doch dann lernt er im Filmarchiv eine junge Frau kennen, Elisabeth, die sich als Praktikantin mit dem Transport von Filmrollen abmüht. Sie nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Um keinen Lärm zu machen, ziehen sie die Schuhe aus, und dann schlafen sie miteinander. Der Beginn einer Affäre. Pierre aber plagt das schlechte Gewissen. Manon zu verlassen, kommt für ihn nicht in Frage. Liiert zu sein und gleichzeitig ein Verhältnis zu haben, überfordert den jungen Mann, der sich unentschlossen und tatenlos seinem Selbstmitleid überlässt. Manon merkt darum sofort, dass etwas nicht stimmt. Und Elisabeth? Die will Pierre enger an sich binden. Als sie entdeckt, dass auch Manon einen Geliebten hat, verrät sie Pierre alles. Für den bricht eine Welt zusammen. Seit 1964 dreht Philippe Garrel Filme, unabhängig, kompromisslos, mit geringen Budgets und in absoluter Freiheit. In Deutschland ist er nur Cinephilen bekannt; nur eine Handvoll seiner Werke fanden über die „Freunde der deutschen Kinemathek“ den Weg in wenige Kinos oder liefen versteckt im Fernsehen. Hierzulande ist er also noch zu entdecken. Sein neuer Film ist auf den ersten Blick eine einfache Geschichte von Männern und Frauen, über die Ungleichzeitigkeit der Gefühle und die Unsicherheit der Liebe, über Anziehung und Entfremdung. Doch mit einem Mal ist die Geschichte gar nicht mehr so einfach, weil Männer und Frauen unterschiedlich aufeinander blicken und die Dinge anders bewerten. Während für Manon der Seitensprung fast selbstverständlich, zumindest aber notwendig ist, um den Status Quo zu erhalten, leidet Pierre zunehmend, an sich, aber auch an der Partnerin, die ihm die Wahrheit verschweigt. Je mehr er nach beruflichem Erfolg und somit nach gesellschaftlicher Anerkennung strebt, desto stärker kommen ihm die Gefühle abhanden. Dabei ist er gar nicht bereit, nach seinen eigenen Prinzipien zu leben. Den Seitensprung, den er sich selbst zugesteht, um wieder am Leben teilzuhaben, würde er Manon nie erlauben. Eine Heuchelei, die sogar in seiner Arbeit spiegelt: Der vermeintliche Résistance-Kämpfer, den er für seine Doku interviewt, ist gar nicht der Held, den er zu sein vorgibt. Garrel hat den Film nach einem Drehbuch von Jean-Claude Carrière betont schlicht inszeniert. Darauf verweist schon, trotz der meisterlich austarierten CinemaScope-Bilder von Kameramann Renato Berta, das zärtliche Schwarz-weiß, das den Figuren trotz ihrer Lebenslügen und Fehler wohlgesonnen ist. Außergewöhnliches geschieht hier nicht. Die Figuren begegnen sich auf der Straße, im Café, vielleicht bei der Arbeit, oft in Elisabeths Wohnung, die die Außenwelt komplett zu verdrängen scheint. Dabei verlässt sich Garrel auf die Ausstrahlung seiner drei Darsteller: die freundliche und pragmatische Lebenstüchtigkeit, die Clotilde Courau verkörpert, die neugierige Sinnlichkeit von Lena Paugam, die introvertierte Leidensfähigkeit von Stanislas Merhar. Dessen versteinertes Gesicht bricht erst am Schluss mit einem Lächeln auf. Endlich ist er aus dem Schatten der Frauen herausgetreten.
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