Dokumentarfilm | Aserbaidschan/Deutschland/Rumänien/Katar 2015 | 74 Minuten

Regie: Imam Hasanow

Ein Bergbauer aus Aserbaidschan träumt davon, eine europäische, schwarz-weiß gefleckte Kuh zu kaufen, um seiner Familie zu Wohlstand zu verhelfen. Seine Frau und das Dorf sind jedoch gegen die Investition. Komödiantischer Dokumentarfilm mit schönen Beobachtungen, authentischen Miniaturen und eindrucksvollen Landschaftsbildern, die freilich einem gewissen Erzählzwang erliegt. Besonders in den Dialogen strapaziert die Gestaltung das Thema rund um die „heilige Kuh“, die metaphorisch für den Konflikt des Landes zwischen Tradition und Moderne steht, über Gebühr. - Ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
HOLY COW
Produktionsland
Aserbaidschan/Deutschland/Rumänien/Katar
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Free Art/Kloos & Co. Medien/Conset
Regie
Imam Hasanow
Buch
Imam Hasanow
Kamera
Sarwar Jawadow
Musik
Le Trio Joubran
Schnitt
Philipp Gromov
Länge
74 Minuten
Kinostart
18.02.2016
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Dokumentarfilm über einen Bauern aus Ascherbaidschan, der eine europäische Kuh kaufen möchte

Diskussion
Sie kommt aus Europa, ist schwarz-weiß gefleckt, „so groß wie ein Kamel“ – und sie gibt sehr viel mehr Milch als die heimisch-braunen Kühe mit dem dicken Fell. Der aserbaidschanische Regisseur Imam Hasanov spielt in seiner allegorischen Doku-Komödie „Holy Cow“ mit der doppelten Bedeutung von „heilige Kuh“. Während sie für ihren Besitzer Tapdiq wirklich heilig, glücks- und wohlstandsbringend ist, folgt der Rest der Bewohner des kleinen Bergdorfes in Aserbaidschan eher dem umgangssprachlichen Verständnis: Für sie ist die heilige Kuh ein Tabu, ein No-Go, Menetekel der Moderne, das die konservativen Werte und Traditionen in ihrer Heimat auf ewig umstürzen wird. Zum Telefonieren muss Tapdiq auf die Anhöhe in der Nähe seines Hauses steigen, nur hier ist der Handyempfang einigermaßen zuverlässig. Von dort schweift der Blick übers Land und den Friedhof, der sich über die Hügel nach unten ins Dorf und seine Häuser zieht, bis hin zu den schneebedeckten Berge hinter rosarot angestrahlten Wolkenschleiern. Die Dreharbeiten zu diesem dokumentarischen Langfilmdebüt haben sich anscheinend über ein Jahr hingezogen; zumindest wandelt sich die Landschaft im Lauf der Jahreszeiten. Am schönsten sind die beobachtenden Sequenzen. Tapdiq schleift gekonnt seine Sense und mäht das Gras am steilen Hang; die kleinen Söhne sehen dabei zu. Die Kinder liefern sich eine Schneeballschlacht vor dem Haus, Tapdiq und seine Frau füttern die Kuh, die Kinder machen sich am Morgen in ihrer Uniform zur Schule auf oder sitzen auf der Bank und meditieren darüber, wie man wohl „Allah“ schreibt. Eigentlich aber ist Hasanovs Ansatz nicht beobachtend. Die Dramaturgie wird stark durch Inszenierungen vorangetrieben. Was der Novelle der Falke ist, also Dreh- und Angelpunkt oder Leitmotiv, ist hier die europäische Kuh. Ein Bild von der Wunschkuh wird an die Wand getackert und die Kinder um ihre Meinung gebeten. Kuh ja oder Kuh nein: die Frau spricht mit ihrer Mutter über ihre ablehnende Haltung zum Kuhkauf. Hasanov setzt auch einen Chor ein: Die Dorfältesten gruppiert er auf der Straße oder im Café, wo sie gemeinschaftlich gegen das Übel aus der neuen Welt wettern, gegen die Krankheiten, die das Tier einschleppen könnte, gegen Europa als vorgeblichen Heilsbringer, gegen Veränderungen. Der Wille zur Allegorie, die nachhaltig forcierten Überlegungen rund um die Kuh wirken insbesondere eingangs recht bemüht und angestrengt. Statt die Traditionen, das Leben im Dorf und in Tapdiqs Haus zu zeigen, das gerade renoviert wird, verfolgt der Film fast zu jeder Zeit und an jedem Ort den Diskussionen um das Tier, so als wären dokumentarisch lockere Abschweifungen vom Kernthema unter keinen Umständen erlaubt. Der Regisseur selbst bleibt dabei unsichtbar, ist also weder hör- oder sichtbar – wobei die vorsätzlich in die Wege geleitete Komik an den gelegentlich recht aufdringlichen und wiederholungsreichen Stil von Stanislaw Mucha erinnert. Als die Kuh, die Tapdiq „Madonna“ nennt, schließlich da ist, dreht sich natürlich alles Wesentliche weiter um die Kuh.
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