Ein Berliner Architekt teilt nicht nur seine Privatsphäre mit einem Dritten, am Küchentisch und im Ehebett. Auch im Büro schaltet sich dieser immer wieder in die Auseinandersetzungen mit dem Firmenpartner ein, der die Unzuverlässigkeit seines Kompagnons kaum noch erträgt. Zumal Tobias neuerdings Aufträge von reichen Russinnen ans Land zieht, die sich bei nüchterner Beobachtung als Luftschlösser entpuppen. Kann es eine derartig enge Männerfreundschaft überhaupt geben, fragt man sich zunehmend. Das unzertrennliche Duo feiert jede Nacht in Bars und Schwulen-Clubs, der Alkohol fließt reichlich, der Körperkontakt ist eng. Tagsüber setzt man sich betrunken ans Steuer und produziert Unfälle, unter denen die mitfahrenden Kinder zu leiden haben. Sind das Auswüchse einer Patchwork-Familie, die gerade an der fehlenden Balance zerbricht?
Seltsam ist nur, dass bis auf den korpulenten Tobias niemand die Anwesenheit seines ebenso pummeligen Freundes mit dem verräterischen Namen „Flasche“ zu bemerken scheint. Nur der Troubadour, der sich immer wieder wie aus dem Nichts in der Gestalt von Robert Gwisdek dazu gesellt, kommentiert das verwirrende Geschehen hellsichtig. Tobias’ Plagegeist gibt in dieser aufs Märchenhafteste verspielten Tragikomödie nicht etwa den eifersüchtigen Liebhaber. Er ist vielmehr seine personifizierte Alkoholsucht.
Regisseur und Wunderkind Axel Ranisch erzählt diese Abstiegsgeschichte geradeheraus und trotzdem mit reichlich Raum für skurrile Abzweigungen. Die Kamera geizt über weite Strecken zwar mit visuellen Visionen, dafür ist der Drang zur Improvisation überproportional ausgeprägt. An Auftritten von befreundeten Regisseuren mangelt es nicht, von Dietrich Brüggemann bis zu Sven Taddicken. Das Ergebnis sind Darsteller, die sich in ihren Rollen vollkommen zu Hause fühlen. Sogar Iris Berben wirkt in diesem unterbudgetierten Kollektivreigen als überzeichnete Russin nicht wie ein Störfaktor. Peter Trabner mimt den alle Besserungsversuche sabotierenden Dämon mit einer Überzeugungskraft, die schwindlig macht. Heiko Pinkowski, wie Trabner am Drehbuch beteiligt, spielt Exzess wie wachsenden Verlust jeglicher Willenskraft erschreckend authentisch, bis zum bitteren Ende in der Entzugsklinik, wo er Flasche im Showdown am Strand erst ermorden muss, um den Wiederauferstandenen in seinem Zimmer anschließend resigniert als Dauerbegleiter zu akzeptieren. Die unvermeidlichen Therapie-Sitzungen geraten zu einer Art Tanz, der keinen sicheren Schritt mehr kennt. Denn jeder der von Sex, Spiel oder Drogen Abhängigen bringt seinen besten Freund zu den Gruppengesprächen mit, und die mischen sich in die ohnehin komischen Psychologen-Spiele mit bösartigen Bemerkungen ein, die den hilflosen Selbsthilfe-Tricks ihrer Opfer Grenzen setzen.
Tobias aber möchte beim Lebenstanz nicht mehr von Flasche geführt werden. Ob ihm die Abnabelung gelingt, verkneift sich das melancholische Finale. Die Ehefrau möchte ihn jedenfalls nicht mehr zurückhaben. Sich aus dem Lachen in die Intimität der Einsamkeit zu stehlen, markiert den Beginn jener schonungslosen Reflexion, zu der auch jede gute Liebesgeschichte zählt. Auch die zur Flasche.