James Dean ist längst zum Klischee verkommen. Es gibt wohl keine deutsche Kleinstadt, in der nicht in irgendeinem Café, einer Kneipe oder Eisdiele ein billiges Poster des Hollywoodstars hängt. Dem Plakatmotiv von „…denn sie wissen nicht, was sie tun“ ((fd 4852); 1955) sowie einem guten Dutzend Fotos, die seit Deans Tod im Jahre 1955 ständig reproduziert werden, verdankt der Schauspieler seinen Nachruhm. Daher kennt jeder sein ikonisches Gesicht, auch wenn man vielleicht keinen der drei Filme gesehen hat, in denen Dean während seiner kurzen Karriere Hauptrollen spielte. Das biografische Drama „Life“ rekonstruiert nun die Entstehungsgeschichte der berühmtesten Dean-Fotos, indem der Film eine Bekanntschaft nachzeichnet, die sich im Todesjahr des Jungstars zwischen ihm und dem Fotografen Dennis Stock entspann.
Was den Regisseur Anton Corbijn an diesem Stoff reizte, liegt auf der Hand. Corbijn ist von Hause aus selbst Fotograf und hat seine Karriere mit dem Ablichten von Stars begonnen. Folgerichtig ist sein vierter Spielfilm eine Reflexion auf die Beziehung von Fotografen zu ihren Modellen sowie auf die Zweischneidigkeit von Starruhm. „Life“ beginnt und endet mit kurzen Szenen in einer Dunkelkammer, die die zur Belichtung analoger Negative erforderliche Konzentration geradezu fetischisieren. Dazwischen bestimmt die Figur von Stock konsequent die Erzählperspektive.
Man lernt den Fotografen kennen, während er in Hollywood um Aufträge für Standfotos buhlt und den Stars lustlos auf dem Premierenteppich auflauert. Als er auf einer Party von Nicholas Ray zufällig Dean begegnet, ahnt Stock, dass der junge Schauspieler etwas Neues verkörpert. Was diese neue Qualität ist, vermittelt sich allerdings nur im Kontrast. Das Drehbuch von Luke Davies lässt nebenbei den legendären Studioboss Jack Warner auftreten, der in der deftigen Darstellung Ben Kingsleys ein ruppiges Charisma verströmt, dessen steife Aufgeblasenheit aber zugleich antiquiert wirkt. Dem entsprechen auch ein paar schwerfällige, vom Art déco inspirierte Möbel und Dekorstücke, mit denen Production Designer Anastasio Masaro den altmodisch gewordenen Geschmack der Hochphase des „klassischen Hollywood“ anklingen lässt.
Demgegenüber erscheint Dean, während er in seiner Studentenbude herumlümmelt oder durch New Yorker Jazzkneipen zieht, als ungezwungener Lebenskünstler. Der Schauspieler Dane DeHaan verleiht der Rolle eine schläfrige Verschmitztheit, die umso charmanter wirkt, weil sie in auffälligem Kontrast zu dem Pathos steht, das sich in Deans Filmen oft aus dessen „method acting“ ergab. Diese subtile Irritation ist jedoch entscheidend im Hinblick auf das zentrale Thema, das der Filmtitel benennt. Mit „Life“ ist die gleichnamige Illustrierte gemeint, in der Stocks Fotoreportage über Dean erschien; zugleich aber bezieht sich der Titel natürlich auch auf das Leben, auf die Kunst, richtig zu leben.
Wie „Life“ suggeriert, spürte Dean intuitiv, dass die Mechanismen des Starbetriebs seine Vitalität zu ersticken drohen. Also sträubt er sich hier kurz vor der Premiere von „Jenseits von Eden“ (fd 4194; 1955) gegen die Vorgaben des Warner-Studios. Und er lässt sich von Stock nur widerwillig zu einer Fotosession überreden, ganz so, als ahnte er, dass vor allem ein Bild – mit hochgezogenem Mantelkragen am verregneten Times Square – zum Klischee werden würde.
Stock ringt derweil in anderer Hinsicht mit dem Leben. Er will Kunst schaffen, während er der von ihm getrennten Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn mit Auftragsarbeiten den Lebensunterhalt finanzieren muss. Dieser innere Konflikt führt in Robert Pattinsons Darstellung zu einer Verkniffenheit, die die sanfte Schnoddrigkeit von DeHaans Dean-Interpretation umso mehr als Lebenskunst erscheinen lässt. Wenn man diesem leisen Film glaubt, dann hat Stock zur Magie jener Bilder, die außer in New York auch an James Deans Heimatort in Indiana entstanden, kaum etwas beigetragen. Das lässt den eigentlichen Protagonisten von „Life“ ziemlich blass wirken. Aber für einen Spielfilm, der von einem hauptberuflichen Fotografen gedreht wurde, ist das eine sehr interessante Bilanz.