Der Tod muss noch lange nicht das Ende sein. Gibt es doch mannigfache Strategien, ihn zu überwinden. Der Normalsterbliche behilft sich beispielsweise mit religiösen Heilsversprechungen, während derjenige, der genügend Geld hat, bereits auf der Erde verlängernd nachhelfen kann. Ideell ist Damian Hayes bereits unsterblich, dafür trägt sein Immobilienimperium längst Sorge, das der Stadt New York rund um den Central Park ein unverwechselbares Gesicht verliehen hat. Doch nun winkt statt des wohlverdienten Ruhestandes der (Krebs-)Tod. Allerdings kann dem Milliardär geholfen werden: Nicht durch Schulmedizin, sondern durch Hightech!
Eine geheime Organisation bietet begüterten Menschen einen neuen, jungen Körper zum Weiterleben an. Hayes kalkuliert eingedenk seines nahen Todes die Risiken und lässt dann seinen Tod öffentlich inszenieren. Eine Familie, die um ihn trauert, hat er nicht; höchstens einen alten guten Freund aus den Gründertagen seiner Firma. Damians erwachsene Tochter Claire, die er auf seine Art innig liebt, will von ihm schon lang nichts mehr wissen. Also lebt er nun, wenige Wochen nach dem Gehirndatentransit, im Körper eines jungen Athleten und genießt sein Dasein aufs Neue.
Doch dann mischen sich seltsame Flashbacks, Albträumen gleich, in sein Leben. Die Gedankenfetzen führen in ein anderes Leben: das eines besorgten Familienvaters, seiner Frau und ihrer kleinen, kranken Tochter. War die Hülle, in der Hayes jetzt lebt, doch nicht so neu und leer wie ihm versprochen wurde?
Die Geschichte von „Selfless – Der Fremde in mir“ klingt spannend – und bekannt. John Frankenheimer hat mit Rock Hudson in „Der Mann, der zweimal lebte“
(fd 14 665) die Geschichte eines alternden Geschäftsmannes erzählt, der sein Äußeres einer geheimen Firma anvertraute. Mit fatalen Folgen. Seinerzeit wurde der Film angefeindet, heute ist er ein Klassiker des Science-Fiction-Kinos. Auch Roland Emmerich hat in „Universal Soldier“
(fd 29 906) ein Franchise ins Leben gerufen, in dem hirntote Soldaten mit neuem Bewusstsein zu seelenlosen Kampfmaschinen transformiert wurden; ein Klassiker des Trivialkinos.
Die Brüder Àlex und David Pastor kennen sich gut in der Filmgeschichte aus, glauben aber stoisch an die Originalität ihrer Geschichte. Für das Drehbuch haben sie die Versatzstücke aus dem Paranoia- und Actionkino mutig und nicht unkreativ kombiniert und mit zeitgemäßem Sci-Fi-High-Tech aufgepimpt. So kämpfen die Erinnerungen eines jungen Mannes gegen den neuen „Bewohner“ seines Körpers, und beide zusammen gegen eine gewissenlose Firma, die über Leichen geht. Das Ziel: Der Gute soll wieder mit Frau und Tochter zusammenkommen – und die Macht des Kapitals brechen.
Auch wenn der Film zum Finale hin ein wenig holpert und die Story allzu viele Haken schlägt, bietet das Genre-Konglomerat ansprechende Unterhaltung. Das liegt vor allem an seinem spielwütigen Regisseur Tarsem Singh, dem es nicht genügt, ein Routineprodukt einfach nur abzulichten. Immer wieder blitzen formale Kabinettstücken auf, wenn er Zeit rafft oder in neue, unbekannte Räume entführt. Was die Kombination von Schnitt und Ton betrifft, ist der Inder auf der Höhe seiner frühen Filme „The Cell“
(fd 34 568) und „The Fall“
(fd 39 152). Auch in den wenigen Sequenzen, in denen er mit der Darstellerin der kleinen Tochter arbeiten kann, beweist er sein Talent, scheinbare Nebensächlichkeiten ins rechte Licht zu rücken. Die Magie des Märchenhaften, die Singhs Filme von „The Cell“ bis „Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen“
(fd 40 972) beseelte, kann sich in diesem eher unterkühlten Science-Fiction-Actionfilm aber nicht entfalten. Noble Schauwerte, glaubwürdig agierende Darsteller und eine bewährte Dramaturgie sichern allerdings eine solide Unterhaltung, die sich vor keinem Hollywood-Prestige-Produkt verstecken muss.