Was heißt hier Ende? Der Filmkritiker Michael Althen

Filmessay | Deutschland 2015 | 127 Minuten

Regie: Dominik Graf

Der Regisseur Dominik Graf nähert sich seinem 2011 verstorbenen Freund an, dem Filmkritiker Michael Althen. Sein Essayfilm lässt Althens Familie, Kollegen und Regisseure zu Wort kommen, ist aber weit mehr als ein Porträt, weil er sich ausgiebig auch Althens Texten widmet, die im filmischen Medium auf ganz andere Weise lebendig werden. Zugleich fängt der Film die Stadt München, deren Kinos sowie das Filmmuseum ein und rekapituliert wehmütig eine vergangene Epoche der Filmkritik. In seiner Melancholie über die verlorene Zeit droht seine Vielstimmigkeit mitunter etwas verloren zu gehen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Preview Prod./Studio Babelsberg/BR/WDR/rbb
Regie
Dominik Graf
Buch
Dominik Graf
Kamera
Felix von Boehm · Till Vielrose
Musik
Sven Rossenbach · Florian van Volxem
Schnitt
Tobias Streck
Länge
127 Minuten
Kinostart
18.06.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Filmessay
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Zorro (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Essay über den Filmkritiker Michael Althen

Diskussion
Der Titel ist Programm. Der früh verstorbene Filmkritiker Michael Althen (1962-2011), schon zu Lebzeiten legendär, verstand das Kino als eine sich im Schreiben, Denken, Reden und in Wachträumen fortsetzende Kunst (und Liebe). Als eine, die in dialogischer Verbindung mit anderen Künsten steht, mit Malerei, Theater, Literatur, aber auch mit Alltagswelt und Gegenwart. Diese uneingeschränkte Offenheit und das Weiterverarbeiten des gerade Gesehenen noch im Erinnern haben Althens Texten – und das ist in der Filmkritik doch eher selten – so etwas wie einen lebendigen „Körper“ gegeben. Diese Textur macht sie zu einem geeigneten Gegenstand für einen Film. Und Dominik Graf, dessen Schaffen eine ähnlich ungebremste Energie und Anschlusslust ausstrahlt wie die Texte des Freundes und Kollegen – zusammen haben sie zwei Filme („Das Wispern im Berg der Dinge“, 1998; „München – Geheimnisse einer Stadt“, 2000) realisiert –, zu einem für dieses Projekt geeigneten Regisseur. Einen konventionell monografischen Ansatz schließt eine nicht vom Ende (oder dem Anfang) her denkende Haltung von vornherein aus. Entsprechend ist der Film eine vielstimmige, mosaikhafte Erzählung geworden, die sich überwiegend aus Archivfotos und persönlichen Gesprächen mit Weggefährten zusammensetzt, von der Familie über Kritikerkollegen bis hin zu Filmemachern wie Christian Petzold und Romuald Karmakar, wobei man sich etwas mehr Redezeit für die wenigen Filmkritikerinnen gewünscht hätte; alles in allem ist es eine ziemliche Männerrunde. Das wiederholte Auffächern des Bildes in verschiedene Bildfenster arbeitet dabei der abgezirkelten, in sich kohärenten Erzählung entgegen. Eine von Widersprüchen befreite Figur war Althen sicherlich nicht, das lässt sich bereits am Reichtum der Adjektive erahnen, mit denen er bzw. sein Schreiben charakterisiert wird: auftrumpfend, pathetisch, lässig, tief, warmherzig, streng und so weiter. Neben einigem anderen ist der Film auch eine Verfilmung von Filmtexten, von Kritiken und Essays, die Althen u.a. für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und (nach seinem Umzug nach Berlin) für die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben hat, darunter seine berühmten Nachrufe auf Audrey Hepburn und Robert Mitchum, Festivalberichte, Filmkritiken und die mit der eigenen Erfahrungswelt eng verwobene Hommage auf Jacqueline Bisset, für die er in Teenagerjahren schwärmte. Graf geht es dabei erst gar nicht darum, adäquate oder irgendwie „besondere“ Bilder für Althens Sprache zu finden. So reichen für einen Bericht über das Festival in Venedig austauschbare Aufnahmen von Kanälen und Straßenszenen. Doch gerade durch dieses nicht groß „sprechende“ Material werden Althens Texte, von Graf gelesen, im Medium des Films noch einmal ganz anders lebendig. Am Rande ist „Was heißt hier Ende?“ aber auch ein schöner Film über die Stadt München, ihre lokale Filmkritikerszene und mit der Filmkultur eng verwobenen Orte: das Filmmuseum im Stadtmuseum, das Werkstattkino, aber auch das alte Schumann’s, in dem am Tisch, direkt neben dem Klo, bei viel Alkohol und Zigaretten ein eher informeller Diskurs über Film geführt wurde. Von einem Ende erzählt „Was heißt hier Ende?“ dann aber doch. Althen ist mit einer Zeit der Filmkritik verbunden, in der es in den Feuilletons noch Platz gab, um auch jenseits der Starttermine ausschweifend über das Kino zu schreiben und in der die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten noch Filmkritik-Sendungen produzierten. Vom Ende der Filmkritik war damals nicht die Rede – und auch nicht vom Prekariat im Journalismus. Man kann die Melancholie über diese verlorene Zeit gut nachvollziehen, die Folgen sind heute überall schmerzhaft zu spüren. Ein wenig schräg wirkt der Chor der Melancholiker aber dennoch, vor allem da die leicht altersmüde klingenden Stimmen überwiegend von Kritikern mit festen Redakteursposten kommen (die Ausnahmen sind dann eine echte Erfrischung). Die Trauerarbeit und die nahezu uneingeschränkte Bewunderung für Althen – Tenor: Er war irgendwie immer zwei Schritt voraus, hatte aber trotzdem die Lässigkeit des Flaneurs – bewirken am Schluss einen seltsamen Effekt: Hier macht sich eine in der Schwundstufe begriffene Filmkritik erst recht klein. Das sehr lebendige filmkritische Schreiben etwa im Netz wird nicht erwähnt. Die anfängliche Vielstimmigkeit weicht hier einer etwas einseitigen Erzählung.
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