Ein schönes Kleid ist das, sagt die Frau mit dem kleinen Hund, es stehe Ellie gut. Die Sonne geht auf, grün leuchtet die Stadtrand-Landschaft um den Hügel: Ein Berg aus Müll, unter ihren Füßen, nennt es die Frau. Ellie trägt nicht immer Kleider, sie trägt manchmal auch Perlenketten und enge Hosen und manchmal ist sie dann auch Sebastian: Zum Beispiel, als er Andreas kennen lernt.
Die Müll-Metapher zieht sich durch „Something Must Break“ von Ester Martin Bergsmark. Stockholm, das „Venedig des Nordens“, in dessen Wasserstraßen man sogar baden kann, ist nicht wiederzuerkennen; Bergsmark zeigt Randlagen, Randlandschaften. Einmal gehen Sebastian und Andreas schwimmen, es ist eine romantische Szene in einem überwucherten Wasserlauf, sie sind nackt, das Licht fällt durch das dichte Blätterdach und bricht sich auf der Oberfläche. Im Hintergrund: Ein riesiges, einbetoniertes Abflussrohr aus Beton, Graffitis, pittoresk hängt ein Autoreifen im Geäst. Auch Andreas’ Zimmer ist ein unüberschaubares Chaos an verstreuten Dingen, als Sebastian es zum ersten Mal betritt. „Schön ist es hier“, sagt er dazu.
Ebenso wie die Dunkelheit der Nacht, der Clubs, der Darkrooms oder der Kapuze bedeutet der Müll Sicherheit: Richtige Unordnung gegen falsche Ordnung, ein Meer an Möglichkeiten statt eines leer gefegten, blaugrauen Teppichbodens mit Abgrund dahinter. Da lauert sie nämlich, die Hölle gesellschaftlicher Konvention, der Sebastian einen Namen für sein Ich verweigert. Nicht Ellie, nicht Sebastian, weder Mann noch Frau, nicht schwul und nicht transsexuell. In einer Art Schatzkästchen bewahrt Sebastian das zerknitterte Taschentuch auf, mit dem Andreas sich das Blut unter der Nase weggewischt hat. So haben sich die Liebenden getroffen: Andreas hat Sebastian verteidigt, als dieser, mal wieder, auf der Suche nach einer sexuellen Grenzerfahrung war.
„Something Must Break“ beruht auf dem autobiografischen Roman „You Are the Roots That Sleep Beneath My Feet and Hold the Earth in Place“ des Transgender-Künstlers Eli Levén, dem ehemaligen Lebensgefährten von Ester Martin Bergsmark (2009 nahm sie mit Ester einen zusätzlichen weiblichen Vornamen an). Gemeinsam haben sie das Drehbuch zu Bergsmarks Spielfilmdebüt nach den beiden Dokumentarfilmen „Maggie in Wonderland“ und dem experimentellen „She Male Snails“ verfasst.
Visuell verortet sich der Film ebenfalls im Dazwischen: zwischen stilisiertem Melodrama und blankem Realismus. Gerade die sexuellen Begegnungen spielen mit Zeitlupen, Perspektivwechseln und Details auf der Tonebene. Der auffällig heterogene, gleichwohl passende Soundtrack fügt eine weitere Ebene hinzu – in der Regel auch mit den Texten der Songs. Ausgezeichnet besetzt sind die Hauptrollen mit Saga Becker, der den androgynen Sebastian durch alle Stimmungen – von Selbstzweifeln über Autoaggression bis zur Aggression – glaubwürdig verkörpert und Iggy Malmborg, dem es ebenso klischeefrei gelingt, seinen Andreas an Ablehnung, Zuneigung, erster Liebe, Sex und Konventionen verzweifeln zu lassen.
Ester Martin Bergsmark erzählt eine große Liebesgeschichte und ein Transgender-Märchen über die Freiheit, die Möglichkeiten und die Einsamkeit, man selbst zu sein: über den Müll, die Stadt und die Liebe.