Die Rollenprofile sind einfach gestrickt, genau richtig für kurzweiliges, in Stop-Motion animiertes Entertainment im Kinderkanal. Sieben-Minuten-Folgen um einen Bauer, seinen Hütehund Bitzer sowie eine Schafherde mit dem für ein Schaf ungewöhnlich cleveren Shaun im Mittelpunkt. Keine Dialoge. Nur Gegrunze, Gequäke, Geblöke. Daraus einen Kinofilm zu machen, ist ein Ritt über den Bodensee. Das war den Machern von Anfang an klar, aber da Shaun das Schaf nun mal eine so erfolgreiche Figur ist, lockt die Verheißung voller Kinokassen in Zusammenarbeit mit Aardman Animations’ neuem Partner Studiocanal. Die Rechnung ist aufgegangen, wenn auch nur halb. Tatsächlich hat man eine Rahmenhandlung gefunden, die es möglich gemacht hat, Shaun auf die Leinwand zu bringen. Aardman Animations hat vor 15 Jahren schon einmal mit „Chicken Run – Hennen rennen“ für Stimmung auf dem Bauern- oder besser: Hühnerhof gesorgt, der wie ein Gefangenenlager aufgezogen war. Doch weil Shaun eher kleine Kinder anspricht, verzichtete man nun weitgehend auf den schwarzen Humor der Landleute und wechselte in die temporeichere Location der Großstadt. Aus der Land- wird sozusagen eine Stadtmaus.
Auf dem Bauernhof herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Eintönig verlaufen die Tage, bis die Schafe geschoren werden. Da fährt ein Bus vorbei und wirbt für einen arbeitsfreien Tag. Die Schafe sorgen dafür, dass der Bauer in seinem Campingwagen in einen tiefen Schlaf fällt, und machen es sich im Haus so richtig gemütlich. Doch der Campingwagen gerät in Bewegung, rollt hinunter in die große Stadt, und der Bauer landet mit temporärem Gedächtnisverlust als Mr. X in der Klinik. Die Schafe nehmen den nächsten Bus in die Stadt, die drei Schweine übernehmen den Hof und machen Party (ein kleiner Verweis auf Orwells „Farm der Tiere“). Shaun und die anderen kleiden sich halbwegs human in Mäntel, funktionieren Bürsten in Bärte um und gehen in einem Nobelrestaurant essen – die schönste Sequenz, die nur nicht viel zur Geschichte beiträgt, sondern eher von ihr ablenkt –, während Mr. X aus dem Krankenhaus ausbüxt und eine neue coole Haarmode kreiert, indem er einem Superstar den Kopf schert, wie er es mit den Schafen gemacht hat. Weil das alles offensichtlich nicht ausreicht, hat man noch einen fanatischen Tierfänger eingefügt, der am liebsten Polizist geworden wäre und die Gesellschaft verfolgt.
Das Dilemma von Cartoons & Slapstick-Comedy ist die Länge. Diese Geschichte wäre exzellent für ein 45- oder 50-Minuten-Special. Dass sie auf 85 Minuten aufgeblasen wurde, geht auf Kosten des Timings und des Tempos. Es ist, als würde die „Wilhelm Tell“-Ouvertüre zu langsam gespielt. So blieb es im Grunde nicht Drehbuchautoren, sondern Storyboard-Künstlern überlassen, den Rahmen der Geschichte mit reichlich Gags und Situationskomik aufzumotzen, denn die Figuren sind zu eindimensional und wortlos, um den Plot zu gestalten. Ähnliche Probleme hatten Laurel & Hardy oder Rowan Atkinson, Meister kurzer Formate, in ihren langen Komödien, und tatsächlich hat der „Shaun das Schaf“-Kinofilm viel mit Keaton und der Stummfilmkomödie gemeinsam. Im Gegensatz zur Dramaturgie und den dem Format der Fernsehserie geschuldeten begrenzten Rollenprofilen befriedigen Bildkomposition und Animation auch den anspruchsvollen Animationsliebhaber. Angesichts computeranimierter Standardisierung tut es gut, einmal wieder handgefertigte Stop-Motion-Animation zu sehen, wenn auch lange nicht so ambitioniert wie bei Aardmans aufwändigen und teuren „Piraten“.
Anders als in Deutschland, wo der Tiefpunkt des Animationsfilmspielfilms mit lustlos hergestellten Projekten wie „Der Kleine Drache Kokosnuss“ erreicht wurde, möchten die Briten nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene unterhalten. Das gelingt teilweise ganz gut, einige Einfälle verraten Sinn für Ironie und Satire. Animation ist eine universelle Bildsprache, die nicht an eine bestimmte Altersgruppe gebunden ist, sondern Alt und Jung gleichermaßen anspricht.