Dokumentarisches Porträt der Kölner Architekten-Dynastie Böhm, in deren baugeschichtlich einflussreichem Schaffen sich zentrale Aspekte der bundesdeutschen Nachkriegskultur spiegeln. Die private Nähe zu den Böhms, insbesondere zum 94-jährigen Gottfried Böhm und seiner während der Dreharbeiten verstorbenen Ehefrau Elisabeth, eröffnet eine intime Nähe, die der visuell und akustisch ausgefeilte Film für ein impressionistisches Mosaik der verschlungenen Familien- und Arbeitsgeschichte nutzt. Der fließende Rhythmus und der „schwebende“ Erzählstil spielen dabei vieles mehr an als es thesenartig zu verdichten.
- Sehenswert ab 14.
Die Böhms - Architektur einer Familie
Dokumentarfilm | Deutschland/Schweiz 2014 | 87 Minuten
Regie: Maurizius Staerkle-Drux
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland/Schweiz
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Lichtblick Film- und Fernsehprod./2:1 film/WDR/BR
- Regie
- Maurizius Staerkle-Drux
- Buch
- Maurizius Staerkle-Drux
- Kamera
- Raphael Beinder
- Schnitt
- Anika Simon
- Länge
- 87 Minuten
- Kinostart
- 29.01.2015
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Dokumentarisches Porträt der Kölner Architekten-Dynastie Böhm, in deren baugeschichtlich einflussreichem Schaffen sich zentrale Aspekte der bundesdeutschen Nachkriegskultur spiegeln.
Diskussion
Das Bauen liegt den Böhms im Blut. Schon der Großvater Dominikus Böhm war in den 1920er-Jahren für seine innovativen Sakralbauten berühmt. Der heute 94-jährige Gottfried Böhm gilt vielen sogar als wichtigster deutscher Architekt; seine markanten Beton-, Stahl- und Glasbauten prägen weithin sichtbar das Weichbild vieler Städte. Doch auch seine drei Söhne Stefan, Paul und Peter Böhm haben sich mit Großbauten wie der Kölner Zentralmoschee oder dem Ägyptischen Museum in München einen Namen gemacht; und in der fünften Generation findet sich unter den Urenkeln ebenfalls einer, der Architektur studiert. Bis heute lebt und arbeitet diese Architekten-Dynastie in dem 1931 errichteten Familienanwesen in Köln-Marienburg, ein rheinischer Clan, dessen prototypische Bürgerlichkeit zentrale Aspekte der bundesdeutschen Nachkriegskultur widerspiegelt.
Der Zugriff des 1988 geborenen Dokumentaristen Maurizius Staerkle-Drux auf diese Welt visionärer Gesten und Bauten ist glücklicherweise eher privater Natur; seine Familie und die der Böhms sind miteinander bekannt. Das eröffnete ihm und seinem Kameramann Raphael Beinder über zwei Jahre hinweg eine geradezu intime Nähe. Vom ersten Augenblick an ist man mit dem rüstigen Patriarchen auf Tuchfühlung, der nicht ohne Grund von allen „Boss“ gerufen wird, die Kamera sitzt still mit am Zeichentisch, an dem der Senior nach wie vor neue Pläne entwirft; sie registriert seine Umsicht und Geduld im Umgang mit seiner dementen Ehefrau Elisabeth, dem „Mammele“, die im roten Wolltuch stets um ihn ist. Und hält feine Nuancen fest, sowohl in den Skizzen als auch im täglichen Miteinander.
In den Gesprächen mit den Söhnen erfährt man viel über die verschlungene Familien- und Arbeitsgeschichte, ohne dass ihre Schilderungen forciert informativ klängen oder dem eher impressionistischen Bilderteppich dezidiert diskursive Erläuterungen verpassen würden. Das Werk Gottfried Böhms, aber auch das seiner Söhne wird sichtbar, ohne dass der Film in einen Architekturführer abgleiten würde. Der mosaikartig-fließende Rhythmus befördert vielmehr ein schwebendes Erzählen, das mehr anspielt als thesenartig verdichtet, gleichwohl aber wichtige Zusammenhänge nahelegt. So „enthüllt“ sich die für Gottfried Böhm in den 1950er- und 1960er-Jahren so typische „Betonfelsen“-Formation als Nachhall seiner Kriegserfahrungen bei den Gebirgsjägern; seine berühmte Wallfahrtskirche in Neviges (1968) erhebt sich wie ein Bergmassiv aus der Umgebung, wirkt innen aber wie ein Luftschutzbunker, allerdings mit dem Unterschied, das die Raumatmosphäre und der spärliche Lichteinfall die Dunkelheit transzendieren, was der Film durch seine schwerelose Kamera und das ausgefeilte Sounddesign geradezu plastisch spürbar macht.
Für die Dreharbeiten und auch den Film als Ganzes ist der Tod von Elisabeth Böhm von entscheidender Bedeutung, die ein paar Monate nach Drehbeginn starb. Auch sie war eine Architektin, die ihre Ambitionen zugunsten des Familienlebens zurückstellte, im Hintergrund aber wichtige Akzente setzte. Die aus dem Allgäu stammende resolute Frau war weltoffener als die Böhms, sie zog es nach Paris, wo sie eine von ihr renovierte großbürgerliche Wohnung besaß, die einen ganz anderen Flair als das doch recht beengte und in seiner Bodenständigkeit seltsam deutsch anmutende Marienburger Anwesen verströmt. Die Lücke, die ihr Tod reißt, setzt die Hinterbliebenen in Bewegung, beim Leichenschmaus, in den Gesprächen und Reflexionen, auch den Filmemacher, der ihren Spuren nachgeht und die für Gottfried Böhms Schaffen so typische Kombination aus kühlem Beton und warmen Akzenten als lebensgeschichtliche Frucht dieser Verbindung andeutet. Böhms jüngster Bau, das Hans Otto Theater in Potsdam, erscheint in der Schlusscoda des Films gleichsam als flirrendes Denkmal für Elisabeth, deren Lieblingsfarbe Rot die metallene Schwere von Böhms Betonkästen in Gestalt elegant geschwungener Dachflügel zum Tanzen bringt.
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