Pelo Malo - Bad Hair

Drama | Venezuela/Peru/Deutschland 2013 | 94 Minuten

Regie: Mariana Rondón

Ein neunjähriger Junge aus Caracas träumt von einer Karriere als Pop-Star und würde sein widerspenstiges, dunkel gelocktes Haar gerne gegen die glatte Frisur seiner Vorbilder eintauschen. Seine Großmutter unterstützt ihn in seinen musischen Ambitionen, während die Mutter seine Entwicklung mit Widerwillen beobachtet. Um die Auseinandersetzungen nicht weiter eskalieren zu lassen, opfert der Junge seine Haarpracht, hält aber an seinen Zielen fest. Der sensibel inszenierte Familienfilm um neue und tradierte Rollenbilder entfaltet ein eindringliches Mutter-Sohn-Drama, in dem es um sexuelle Identität, Rassismus und soziale Marginalisierung geht. Dabei spiegeln sich familiäre Spannungen und der desaströse Zustand der venezolanischen Gesellschaft gegenseitig. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
PELO MALO
Produktionsland
Venezuela/Peru/Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Artefactos/Hanfgarn & Ufer Film und TV Prod./Imagen Latina/La Sociedad Post/Sudaca Films
Regie
Mariana Rondón
Buch
Mariana Rondón
Kamera
Micaela Cajahuaringa
Musik
Camilo Froideval
Schnitt
Marité Ugas
Darsteller
Samuel Lange Zambrano (Junior) · Samantha Castillo (Marta) · Beto Benites (Chef) · Nelly Ramos (Carmen) · María Emilia Sulbarán (Mädchen)
Länge
94 Minuten
Kinostart
31.03.2016
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Ein Junge aus Caracas, Venezuela, kämpft um sein Recht auf Individualität

Diskussion
Ein kleiner dunkelhaariger Junge schmiert sich Speiseöl in die Locken, dann kämmt er sich die Haare glatt. Die Haare besitzen einen hohen symbolischen Stellenwert in „Pelo Malo“, was „schlechtes Haar“ bedeutet; eine rassistische Anspielung auf das krause Haar der schwarzen Bevölkerung; zugleich definiert die Frisur aber auch die sexuelle wie kulturelle Identität des Jungen. Die venezolanische Regisseurin Mariana Rondón erzählt in ihrem dritten Spielfilm eine einfache Familiengeschichte um gesellschaftliche Spannungen, neue und tradierte Rollenbilder, eine alleinerziehende Mutter und ihren Sohn. Der neunjährige Junior lebt mit seiner Mutter und seinem kleinen Bruder in einer Plattenbausiedlung in Caracas. Der bolivarische Sozialismus steckt in einer tiefen Krise, der Revolutionsführer Hugo Chavez liegt im Sterben. Die Mutter will wieder beim Wachschutz arbeiten, die beiden Kinder sind ihr zu viel. Junior hat krauses Haar; viel lieber aber hätte der Junge eine glatte, lange Mähne, ganz so wie die Sänger und Popstars, die er bewundert. Seine Mutter beobachtet seine musischen Ambitionen mit Widerwillen und Abscheu. „Wird mein Sohn schwul, ist es meine Schuld? Soll ich ihm die Haare schneiden?“, fragt sie ihren Arzt. „Normale“ Jungs spielen Fußball oder verkleiden sich als Soldaten, aber nicht als Sänger. Junior zieht mit einer übergewichtigen Freundin herum oder himmelt den jungen Kioskbesitzer an. Nur seine Großmutter Carmen hat Verständnis für die musische Sehnsucht und für die zarte Ambivalenz des Jungen. In einer der schönsten Szenen des Films tanzen Enkel und Großmutter ausgelassen zu rhythmischer Calypso-Musik durchs Wohnzimmer. Doch als sie ihm fürs Schulfoto ein langes Sängerhemd mit Rüschen näht, fühlt sich der Junge in seiner Männlichkeit verletzt und verlässt ihr Haus. Junior möchte weder der feminine Chorknabe sein, den seine Großmutter aus ihm machen will, noch der kleine Macho, den die Gesellschaft von ihm erwartet. Aber auch der Streit zwischen Mutter und Sohn eskaliert: entweder soll Junior sich die Haare abschneiden oder zur Großmutter ziehen. Also schneidet er sich die Haare ab: „Ich liebe dich nicht...“, sagt er der Mutter. „Ich dich auch nicht...“, antwortet sie. Am Ende singen alle Kinder im großen Schulhof die venezolanische Hymne, nur Junior nicht. Auch kahlgeschoren wird er seine eigenen Wege gehen. „Pelo Malo“ ist ein intensiver Film aus einem Land der großen Schlagzeilen und gefühlsträchtigen Telenovelas. In dem subtilen, sensiblen inszenierten Familiendrama geht es um Geschlechterrollen, um die Suche nach sexueller Identität, unterschwelligen Rassismus und soziale Marginalisierung. Der Regisseurin gelingt es eindringlich, das psychologisches Mutter-Sohn-Drama vor dem Hintergrund der großen Probleme des Landes zu entfalten: die Arbeitslosigkeit, die Gewalt in den Straßen, die ständig steigende Kriminalität. Die Kamera ist unauffällig und trotzdem immer ganz nah am Geschehen. Die Spannungen in der Familie und der desaströse Zustand des Landes sind ineinander verwoben, Venezuela erscheint als Gesellschaft, deren Fundamente schon so dekadent wirken wie die Plattenbauen, in denen die Familie lebt.
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