Die Ereignisse und Stationen der Handlung sind vorgegeben: Mosesʼ Flucht und seine Rückkehr, die biblischen Plagen, der Auszug der Israeliten aus Ägypten, die Teilung des Roten Meeres, der Empfang der Zehn Gebote. Kein Moses-Film kann auf diese Episoden verzichten. Doch je mehr eine solche Erzählung als Blockbuster für ein weltweites Publikum funktionieren soll, desto mehr muss die fehlende Spannung über den Ausgang der Handlung durch das „Wie“ wettgemacht werden, durch Schauwerte, Stars und kleinere Handlungsdetails, die den großen Bogen ausschmücken. Wie schon in manchen seiner jüngsten Filme versucht sich Ridley Scott an einer Rekonstruktion der Antike in Gestalt einer Wiederauferstehung des goldenen Kinozeitalters. Diskret, aber unverkennbar zitiert er die großen Vorbilder, vor allem Cecil B. De Milles Monumentalfilm „The Ten Commandments“ (1923) und dessen Remake „Die Zehn Gebote“ (fd 6690), auch „Ben Hur“ (fd 9589) oder seinen eigenen Film „Gladiator“ (fd 34 276). Scotts Ägypten ist zivilisiert, technisch hochgerüstet und von fortwährenden großen Baumaßnahmen geprägt, besitzt aber doch alle Klischees des Orientalismus made in Hollywood: Tierfelle auf dem Boden und bunte Stoffe an der Wand, Schlangen als Haustiere und hübsche Sklavinnen als Gespielinnen der Despoten. „Exodus“ wagt einen modernen Blick auf das Alte Testament und auf die Bibelverfilmungen, vermischt mit Elementen des Monumentalkinos und des „Sandalenfilm“-Genres. Letzteres dominiert insbesondere zu Beginn am Hofe des Pharaos. Nach der Etablierung von Mosesʼ Beziehung zum Kronprinzen Ramses folgt eine große Schlachtszene, in der zwischen Pfeilhagel und Wagenkämpfen die Hethiter besiegt werden. Später aber entwickelt sich Moses vom Höfling der Macht zum Widerständler und Freiheitskämpfer der unterdrückten Sklaven. Dabei lassen sich deutliche Analogien zwischen dem „von Gott auserwählten Volk“ der Hebräer und zeitgenössischem US-amerikanischen Freiheitspathos nicht übersehen: Moses tritt für Rechtsgleichheit und individuelle Freiheiten ein. Die Hebräer werden deutlich als Volk gezeichnet, das sich wehrt. Etwas unentschieden umschifft der Film den ironischen Zwiespalt, Verhaltensweisen preisen zu müssen, die im amerikanischen Gegenwartskino gern als „Fundamentalismus“ und „Terrorismus“ negativ konnotiert sind. Überraschenderweise trägt Christian Bale als Moses den Film, wobei er sich nicht nur gegen Effekte, Maske und Production Design behauptet, sondern bravourös den Wandlungsprozess seiner Figur meistert, der auch eine Verhärtung ist. Aus dem lockeren, unbekümmerten Soldaten wird zum Ende hin ein sturer Schweiger, der zunehmend unter der Last seiner Verantwortung leidet und in seiner Abkapselung gegenüber den Mitmenschen, dem inneren Panzer, den er sich zulegt, an Bales „Batman“-Auftritte erinnert. Die anderen Darsteller stehen demgegenüber deutlich im Schatten: Sigourney Weaver und Ben Kingsley bleiben jeweils nur wenige Minuten Leinwandpräsenz. Echte Mit- bzw Gegenspieler sind nur John Turturro und Joel Edgerton als Pharao Seti und dessen Sohn Ramses. Ästhetisch ist „Exodus“ gelungenes, aber keineswegs herausragendes Monumentalkino, mit großem technischen Aufwand in Szene gesetzt, aber ohne Mut, mit den Konventionen zu brechen. Visuell wirkt vieles „realistisch“: die Durchquerung des Roten Meeres erinnert ans Katastrophenkino. Die 3D-Technik vermag neuerlich nicht vollends zu befriedigen: Flächig und porös muten viele Bilder irreal an, gerade in Momenten großer Bewegung wie bei der Schlacht gegen die Hethiter. Manchmal ächzt der Film spürbar unter der Last, permanent Spektakel und Schauwerte bieten zu müssen. Der Inszenierung gelingen fraglos große Momente; sie ist aber nicht aus einem Guss. Nur zweimal betritt der Film visuelles Neuland: in der Darstellung des göttlichen Boten, der bei den Zwiegesprächen mit Moses die Gestalt eines Kindes hat. Originell ist auch die Darstellung der Plagen: Wenn Krokodile Menschen angreifen, der Fluss und bald auch die Reisfelder sich rot färben, und die Frösche die Palastbetten bedecken, dann ist das barockes, bildkräftiges Kino. Auch Heuschrecken und Hagel geben der Regie Gelegenheit zu starken Bildern. Hier scheint sich Ridley Scott von der Last des Vorgegebenen lösen zu können und zu sich selbst zu kommen: Ein Meister des Bewegungskinos, der Action gern mit historischen Rekonstruktionen verbindet. Am Ende steht eine persönliche Widmung: „For my brother Tony Scott“.