Geld verdienen, um die Existenz zu sichern, spielt in diesem selbstgenügsamen Beziehungsfilm von Tom Lass keine Rolle. Junge Figuren bevölkern darin Berlin mit einer somnambulen Selbstverständlichkeit, die nur denen vorbehalten bleibt, die sich auf die Großzügigkeit der Eltern verlassen können. Das Zentrum ihres Lebens sind wechselnde Partner, an denen sie sich zwanghaft reiben, um die Zeit mit dem Anschein von Höhen und Tiefen zu füllen. Nicht, dass sie dabei glücklich wären. Im Gegenteil. Oskar, den der 1983 geborene Tom Lass selbst spielt, balanciert zwischen zwei ungleichen Frauen. Der einen schwebt eine wilde Beziehung auf den Spuren von Kurt Cobain und Courtney Love vor. Deshalb schlägt sie ihn beim Sex, der sich in seiner Grammatik mitunter an einschlägigen Porno-Filmen orientiert, terrorisiert ihn im Alltag und setzt sogar in einem Wutanfall seine Kellerwohnung in Brand.
Die andere gleicht einer abgeklärten Romantikerin, die sich in die Kindheit zurück sehnt. Stets bewaffnet mit Pinsel und Farben, verpasst sie ihren parallelen Liebschaften mit Vorliebe eine archaische Körperbemalung. Während sich die bis zu 30 Jahre älteren Männer über Sexpraktiken freuen, bei denen nur sie auf ihre Kosten kommen, erwartet sie im Gegenzug väterliche Zärtlichkeiten, die von den zeitknappen Herren nur ungern bedient werden. Bei Oskar macht sie eine Ausnahme. Sex ist zunächst tabu, weil er als gebranntes Kind der Ansicht ist, er tue der Beziehung nicht gut. Nur was fängt man dann mit dem Partner an?
Wenn die Ablenkungsreize der Großstadt nicht wären, müsste man sich um das platonische Paar, das in seinem Unvermögen, verbindliche Nähe herzustellen, den zeitlosen Helden aus „Außer Atem“ (fd 9 287) ähnelt, Sorgen machen. Das tut man leider ohnehin. Wie viele Liter Wodka kann man schließlich im Duett vertragen? Auf Autobahnbrücken halten sich diese aneinander vorbei Liebenden ebenso verdächtig lange auf wie in Betten, Clubs, Seen und Zelten. Die ziellosen Gespräche kommen trotz des Bewegungsdrangs nicht von der Stelle. Oskar ändert aus Ermangelung an Alternativen seine Meinung und wünscht sich den Beischlaf. Seine sichtlich enttäuschte Gefährtin hat jedoch Gefallen an der Spannung gefunden, die aus der unausweichlichen Konfrontation ihrer Liebeserwartungen erwächst. Es wird geraucht und geweint, gegenseitig Zähne geputzt, Inliner gefahren und in der Gegenwart des anderen masturbiert. Die Dramen spielen sich im Innern ab. Wenn sie es denn tun.
Der nur in Ansätzen tragikomische Film skizziert diese spätpubertäre Welt eher, als dass er sie soziologisch fixieren würde. Lass baut zeitliche Sprünge ein, ohne dass die karge Handlung dadurch dramaturgisch vorangetragen würden. Ansonsten hat er seinen Realismus fest im Griff; keinerlei Manieriertheit funkt dazwischen. Die sparsam eingesetzte Musik wechselt zwischen mädchenhaft verhuschten Klagegesängen und elektronischem Staccato. Die Fragmente der gegenseitigen Überforderung wollen auf quälende Weise nicht zusammenfinden, was auch daran liegen mag, dass die improvisierten Dialoge öfters an unfreiwilliger Komik vorbeischrammen. Es grenzt an ein Wunder, dass im Finale bei einer Autofahrt vom Land in die Stadt doch noch so etwas wie das verzweifelte Lebensgefühl von sich chronisch betäubenden Menschen aufscheint, die den Übergang zwischen Jugend und Erwachsenenalter verpasst haben. Empathie empfindet man für sie nicht wirklich. Dafür hängen sie zu sehr im Niemandsland. Weniger Godard und mehr Michael Klier wären sicher besser gewesen.