Im karikaturhaft schiefen Universum eines skandinavischen Küstenstädtchens sehnt ein Zehnjähriger seinen seit Jahren abwesenden Vater herbei, der vermeintlich als Seemann über die Meere schippert. Mit einem magischen Stift malt er ein Nashorn an die Wand des Wohnzimmers, das unversehens von der Tapete steigt und die Einrichtung zu verzehren beginnt. Der liebevolle Kinderfilm erinnert dabei mehr an die Augsburger Puppenkiste als an gegenwärtige Animationsfilme. Mit seinem bedächtigen Erzähltempo und dem kindgerechten Humor eignet sich die anarchisch-fantasiereiche Geschichte deshalb auch für jüngere Kinder.
- Ab 6.
Otto ist ein Nashorn (2013)
Animation | Dänemark 2013 | 73 Minuten
Regie: Kenneth Kainz
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Filmdaten
- Originaltitel
- OTTO ER ET NÆSEHORN
- Produktionsland
- Dänemark
- Produktionsjahr
- 2013
- Produktionsfirma
- Crone Film Prod./Wil Film
- Regie
- Kenneth Kainz
- Buch
- Rune Schjøtt
- Musik
- Halfdan E · Søren Siegumfeldt
- Schnitt
- Per Risager
- Länge
- 73 Minuten
- Kinostart
- 26.06.2014
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 6.
- Genre
- Animation
Heimkino
Toller dänischer Animationsfilm für Kinder.
Diskussion
Pflegeleicht ist ein Nashorn nicht, zumal wenn es im eigenen Wohnzimmer steht. Es trampelt, wenn es Hunger hat, und dann fällt in der Wohnung darunter der Leuchter von der Decke. Es knabbert am Klavier und passt nicht durch die Tür.
Der dänische Kinderfilm „Otto ist ein Nashorn“ von Kenneth Kainz spielt in einer skandinavischen Hafenstadt; ein wenig erinnert die Welt des zehnjährigen Topper und seines besten Freundes Viggo dabei an die Insel mit zwei Bergen der Augsburger Puppenkiste, an Lummerland, Lukas, den Lokomotivführer, und das Findelkind Jim Knopf.
Toppers Vater ist schon so lange nicht mehr zu Hause gewesen, dass der Junge sich nicht mehr sicher ist, ob er überhaupt einen Vater hat. Er schreibt ihm Briefe, die er an den Vater „auf den sieben Weltmeeren“ adressiert. Seinen Klassenkameraden tischt Topper Fantasiegeschichten über dessen Verbleib auf – und die ärgern ihn damit. Er ist verliebt in die ein Jahr ältere Sille, die ihn zwar „verrückt“ findet, aber gerade deshalb auch spannend.
Zuverlässig an seiner Seite steht sein Freund Viggo, der im gleichen Mietshaus wie Topper wohnt und der Sohn des gestrengen Gastwirts ist, der das meist verwaiste Café im Erdgeschoss betreibt. Nach einem wilden Ausflug mit seinem klapprigen Kinderwagen, den Topper als rasendes Gefährt nutzt, findet er im Gebüsch einen magischen Stift. Damit zeichnet er ein großes Nashorn an die heimische Tapete, das prompt lebendig wird.
Die Computeranimation wirkt tatsächlich ein wenig puppenkistenhaft. Keinesfalls wird hier eine hochglanzpolierte Welt vorgestellt, mit großäugigen, wohl proportionierten Charakteren. Die Figuren sind geradezu grotesk überzeichnet, die Häuser stehen windschief und werden nach oben hin breiter. Verzerrte Proportionen, Ecken und Kanten gehören zum Konzept. Toppers Gesicht mit den schiefen Zähnen, den eng zusammenstehenden Augen und der spitzen, langen Nase sieht aus wie eine Kampfansage ans Disney-Universum oder an die Schönheitsideale japanischer Animationsfilme.
So erfrischend altmodisch wie die Animation ist auch die simple Geschichte, die auf einem Kinderbuch des dänischen Autors Ole Lund Kirkegaard beruht. Sie richtet sich deutlich auch an jüngere Kinder. Es gibt nur wenige Schauplätze, im wesentlichen das Mietshaus, die Schule und die nahe Umgebung. Das Erzähltempo ist angemessen, auf schnelle Wendungen wird verzichtet, zentrale Zusammenhänge werden wiederholt, der Humor ist in erster Linie slapstickhaft und kindgemäß; für ältere Zuschauer wurden einige komplexere Transfer-Witze eingebaut.
Das Nashorn rast nicht wildgeworden durch den Ort, es bleibt im Haus und bricht in gemächlichem Tempo durch eine Wohnungsdecke nach der anderen, bis es schließlich im Café landet und zur örtlichen Attraktion wird; zwischenzeitlich hat es sich den Polizeichef zum besten Freund auserkoren.
Afrikanische Fauna, Anarchie und ein bärtiger, liebevoller Seemann als Vater, der mit drei Papageien im Schlepptau am Ende doch noch vor Anker geht: das alles erinnert an Astrid Lindgren und die Abenteuer von Pippi Langstrumpf. Die Männer- und Frauenrollen sind allerdings etwas verzopft und einseitig gezeichnet. Während Toppers sanftmütige Mutter sich schlicht mit der Ankunft des lange Jahre verlorenen Vaters zufrieden gibt, schwingen die anderen Frauen das Nudelholz und keifen gerne. Die Männer sind eher schwache, profilneurotische Charaktere, die den Druck nach unten an die Kinder weitergeben. Aber zum Glück sind die Erwachsenen ja so herrlich doof: Wer sich eine Mütze mit Nashornkotze auf den Kopf setzt, den kann man einfach nicht richtig ernst nehmen.
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