Im Jahr 2031 sind alle Kontinente der Erde von Eis überzogen. Das Leben, wie man es aus der Gegenwart kennt, ist nicht mehr sichtbar. Allenfalls die von Schneestürmen freigelegten Reste früherer Architektur erinnern noch an die Zeit vor dem Untergang. Und ein nicht enden wollender, metallisch glänzender Zug, der wie ein Perpetuum mobile seine Kreise über die verharschten Gleise zieht. Damit jene, die sich innerhalb der blitzenden Stahlhaut aufhalten, auch weiterhin überleben können, bedarf es der ständigen Bewegung und einer gewissen „gesellschaftlichen Struktur“: Es gibt jene, die den Zug erdacht haben, um den Folgen der globalen Erwärmung zu entgehen, und jene, die benötigt werden, um den Status quo der Führungsschicht zu bewahren. Im hinteren Teil des Zuges vegetieren die Arbeiter zusammengepfercht und abgeschottet vor sich hin; abgespeist mit Heilserklärungen, Machtdemonstrationen und Eiweißgelee. Doch die Leidensbereitschaft ist nicht mehr sehr groß. Einem von ihnen, Curtis Everett, reicht die pure Existenz schon lange nicht mehr. Er will wie jene leben, die an der Spitze des Zuges der Gesellschaft vorstehen. Curtis ist stark, charismatisch und voller Wut – und er hat in dem weisen, aber gebrechlichen Gilliam einen Mentor. Der Alte weiß als Einziger von den Strukturen, die die Gesellschaft zusammenhalten; er weiß um die Anfänge, als noch Chaos, Gewalt und Tod herrschten; er kennt als Einziger jenen Wilford, den die Menschen der oberen Klassen als Gott verehren, und den die Menschen der untersten Klasse als den Teufel verachten. Es ist Zeit, sich von Ministern wie der schmierigen Mason nicht mehr hinhalten und von den Waffen der Garde nicht mehr einschüchtern zu lassen. Es ist Zeit, nach vorne zu stürmen; Zeit für eine Revolution!
„Snowpiercer“ ist ein Science-Fiction-Film im besten Sinne: Er führt im Spiegel der Zukunft vor Augen, was wir in der Gegenwart gerne verdrängen. Er kommt als Unterhaltung mit viel Action und visueller Überwältigung daher und lässt einen überwältigt, vielleicht sogar ratlos, aber mit dem Bedürfnis zurück, über das Gesehene zu reflektieren und zu kommunizieren.
Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-ho war von der dreibändigen Graphic Novel „Le Transperceneige“ der Franzosen Jacques Lob, Benjamin Legrand und Jean-Marc Rochette so beeindruckt, dass er jahrelang an einer filmischen Realisierung diese Endzeitepos tüftelte. Das, was sich innerhalb der Waggons ereignet, spiegelt die ganze Krux des menschlichen Zusammenlebens wider, die ein Überleben auf Dauer eigentlich unmöglich macht. Bong Joon-ho verwandelt diesen komplexen Stoff in ein nicht minder vielschichtiges dystopisches Revolutionsepos, in dem es eigentlich keinen Sieger geben kann, außer vielleicht den Planeten, der die Eskapaden der Menschen schließlich aussitzen muss.
Man mag sich an der politischen Botschaft des Films stoßen, an den Theorien der Wechselwirkungen zwischen herrschender und leidender Klasse abarbeiten oder auch „nur“ die brillanten Darsteller, das retro-futuristische Production Design oder die Action auf engstem Raum goutieren. In jedem Fall aber wird „Snowpiercer“ keinen ungerührt lassen.