Araf - Somewhere In Between

Drama | Türkei/Deutschland/Frankreich 2012 | 124 Minuten

Regie: Yesim Ustaoglu

Zwei junge Leute, beide aus "bildungsfernen Schichten", arbeiten an einer Autobahnraststätte zwischen Istanbul und Ankara und träumen davon, den Einengungen ihrer konservativen Familien zu entkommen. Das Mädchen leidet unter den konservativen Wertvorstellungen seiner Mutter, der Junge unter den Exzessen des alkoholabhängigen Vaters. Beide finden nicht die Energie, sich mit mehr als pubertären Träumen gegen ihre Misere aufzulehnen. Der Film zeichnet ein deprimierendes Gesellschaftsbild in tristen, detailgenauen Bildern, die zwar oft nahe an den Protagonisten sind, ohne darüber aber eine emotionale Nähe aufzubauen. So bleibt die Erzählhaltung distanziert und wirkt wie eine Versuchsanordnung, was den feinsinnigen Film bisweilen lehrbuchhaft wirken lässt. (O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
ARAF
Produktionsland
Türkei/Deutschland/Frankreich
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Catherine Dussart Prod. (CDP)/The Match Factory
Regie
Yesim Ustaoglu
Buch
Yesim Ustaoglu
Kamera
Michael Hammon
Musik
Marc Marder
Schnitt
Naim Kanat · Mathilde Muyard · Svetolik Zajc
Darsteller
Neslihan Atagül (Zehra) · Baris Hacihan (Olgun) · Özcan Deniz (Mahur) · Nihal Yalcin (Derya) · Yasemin Conka (Meryem)
Länge
124 Minuten
Kinostart
22.05.2014
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Diskussion
„Araf“ bezeichnet im Türkischen den Zustand des Wartens zwischen Himmel und Hölle. Ähnlich ergeht es Zehra und Olgun. Die beiden Jugendlichen träumen im Niemandsland an der Autobahn zwischen Istanbul und Ankara von einem besseren Leben – und werden auf die Probe gestellt. Die 1960 geborene Regisseurin Yeşim Ustaoğlu wurde mit sensiblen, persönlich geprägten Gesellschaftsstudien bekannt, mit denen sie auf soziale Defizite in der türkischen Gesellschaft aufmerksam machte. In „Araf“ stehen zwei Kinder aus sogenannten „bildungsfernen Schichten“ im Vordergrund, die beide auf einer Raststätte an der Autobahn von Istanbul nach Ankara arbeiten. Die Kommunikation mit den Eltern ist im Prozess des Heranwachsens abhanden gekommen; Zehra leidet unter den konservativen Wertvorstellungen ihrer Mutter, Olgun unter den Exzessen des alkoholabhängigen Vaters. Beide leben am Rande einer Industriestadt, die ihre besten Zeiten hinter sich hat. Eine Provinz, der es nicht besonders schlecht, aber auch nicht besonders gut geht. Ein sozialer Transitraum, der, obwohl zwischen zwei pulsierenden Metropolen gelegen, von Stillstand geprägt ist. Olgun versucht, diesen Stillstand hinwegzutwittern. Er inszeniert sich im Internet als „vernebeltes Kind in einer rauchigen Stadt“ und dreht verrückte Handy-Videos, etwa bei der Fahrt mit einer geklauten Motordraisine der staatlichen Eisenbahn. Zehra hofft auf einen Mann, der sie heiratet und mit sich nimmt. Doch der Fernfahrer Mahrut, in den sie sich verliebt, lässt sie schwanger zurück. Auf das Thema ist Ustaoğlu bei den Vorbereitungen zu „Pandora’s Box“ (fd 39 596) gestoßen. „Bei den Dreharbeiten kamen wir oft an solchen Raststätten vorbei. Ich beobachtete neugierig, wie regelmäßige Kunden nach und nach die Angestellten besser kennenlernten. Ich fragte mich, wie es wohl sein möge, sich an so einem flüchtigen, unfassbaren Ort wie diesem Rastplatz zu verlieben.“ Und so beginnt „Araf“ zunächst auch als Ortserkundung. Ustaoğlu bleibt ihrem Stil treu, der von detailbetonten, nachdenklichen, in sich gekehrten Bildern geprägt ist. Die Landschaften sind verschneit oder verregnet, dahinter vertrocknen die Seelen – klassisches Autorenkino, das sich allerdings zunächst der Nähe zu den Protagonisten verweigert, obwohl die Kamera immer nahe an deren Gesichtern bleibt. Hinter den Gut-Böse-Schemata – hier Zehras und Olguns illusionäre Wünsche, per Heirat oder einem Lotteriegewinn ihrer Unfreiheit zu entkommen, dort die patriarchalen Konventionen der Kleinfamilie – schafft es der Film erst spät, mit seinen Protagonisten warm zu werden. Eher Versuchsanordnung als bewegendes Drama, beschreibt „Araf“ die Unausweichlichkeit von Klassenverhältnissen. Als das Schicksal am Ende zuschlägt, wird plötzlich eine überdeutliche emotionale Wucht entfesselt. Ustaoğlu protokolliert, wie gesellschaftliche Ist-Zustände zunächst unter den Teppich gekehrt und dann ausgesessen werden, in diesem Falle zum Schaden der nachwachsenden Generation. Eine richtige, wenn auch nicht mehr ganz neue Analyse, deren bildgestalterische Ästhetik und dokumentarischer Gestus über den Lehrbuchcharakter der Geradeaus-Moral im Überbau hinwegtäuschen. Ein paar mehr unerwartete zwischenmenschliche Schlenker hätten den im Detail feinsinnigen Beobachtungen mehr Gewicht verliehen.
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