Die unerschütterliche Liebe der Suzanne

Drama | Frankreich 2013 | 94 Minuten

Regie: Katell Quillévéré

Zwei Schwestern wachsen bei ihrem verwitweten Vater auf. Die kleine Familie verkraftet trotz schwieriger Bedingungen alle Herausforderungen, auch die ungeplante Schwangerschaft einer der Töchter. Als diese sich in einen Kleinkriminellen verliebt und ihren Sohn sowie ihre Familie verlässt, wird dies für alle zur emotionalen Zerreißprobe. Mit zahlreichen Ellipsen umspannt das faszinierend brüchige Werk rund 25 Jahre aus dem Leben der Hauptfigur. Vorzüglich gespielt, beschreibt der zwischen Soap Opera und realistischem Kino pendelnde Film in suggestiven Szenen die Kollateralschäden einer großen Liebe. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SUZANNE
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Move Movie/Mars Films/Panache Prod./La Compagnie Cinématographique
Regie
Katell Quillévéré
Buch
Mariette Désert · Katell Quillévéré
Kamera
Tom Harari
Musik
Verity Susman
Schnitt
Thomas Marchand
Darsteller
Sara Forestier (Suzanne Merevsky) · François Damiens (Nicolas Merevsky) · Adèle Haenel (Maria Merevsky) · Paul Hamy (Julien) · Lola Dueñas (Irène)
Länge
94 Minuten
Kinostart
19.06.2014
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Arsenal (16:9, 1.78:1, DD5.1 frz./dt.)
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Diskussion
Man denkt angesichts der zarten Sara Forestier unwillkürlich an die ähnlich fragile Audrey ­Hepburn und an das Finale von „Frühstück bei Tiffany“ (fd 10 825), wenn die französische Aktrice als Suzanne eine wunderbar romantische Liebesszene im Regen hinlegt. Darin scheint Suzanne gar nicht von ihrem Freund Julien lassen zu können; eigentlich wollen sich die beiden verabschieden, doch offenbar zieht es Suzanne immer wieder geradezu magnetisch in Juliens Arme. Doch die „unerschütterliche Liebe“, die der deutsche Verleihtitel in Aussicht stellt, ist in Katell Quillévérés zweitem Spielfilm nur die eine Seite der Medaille. Die Treue und Loyalität der Titelheldin gegenüber Julien bedingen nämlich ihre Untreue gegenüber anderen Menschen. Die „unerschütterliche Liebe“ erstrahlt nur manchmal im romantischen Licht; manchmal würde man Suzanne am liebsten ohrfeigen für die Rücksichtslosigkeit, mit der sie sich ihren Gefühlen hingibt. Den Preis dafür bezahlt sie selbst. Aber auch ihr Sohn, ihre Schwester und ihr Vater: die drei Menschen, die Suzanne im Stich lässt, um dem Kleinkriminellen Julien zu folgen, als er überstürzt die Stadt verlassen muss. Wobei der Film für diese „Kollateralschäden“ ähnlich viel Raum lässt wie für die Liebesgeschichte. Quillévéré gelingt mit „Die unerschütterliche Liebe der Suzanne“ ein frappierender Clash zwischen Soaps à la „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und sozialrealistischem Kino. Ihr Film scheut nicht die großen Gefühle, die seine Protagonisten antreiben, aber er scheut sich auch nicht, den Zuschauern potenzielle emotionale Höhepunkte ein ums andere Mal im wahrsten Wortsinne vor der Nase wegzuschneiden: Quillévéré arbeitet auf ebenso dreiste wie faszinierende Weise mit Ellipsen und schafft es damit, Wechselfälle des Lebens, mit denen eine Soap locker mehrere Staffeln füllen würde, auf eine Spielfilmlänge herunterzurechnen. Dabei kann es vorkommen, dass Wendepunkte in Suzannes Leben wie etwa die Geburt ihres Sohnes Charlie ausgespart werden, während viel Nebensächlicheres, etwa ein Streit mit dem Vater, ausführlich gezeigt wird. Quillévéré interessiert sich für den Alltag ihrer Figuren, für die Textur ihres Lebens; es geht ihr nicht um die Momente, in denen Großes geschieht und alles sich ändert, sondern um die Frage, wie hinterher mit den Konsequenzen gelebt werden kann. Von „Verdichten“ zu sprechen, wäre allerdings falsch; vielmehr gleitet der Film bei aller Dramatik seltsam entspannt durch Momentaufnahmen einer chaotischen Frauenbiografie. Die vielen Auslassungen bedingen, dass man als Zuschauer öfters aus dem Tritt gerät und sich von einer Szene zur anderen erst orientieren muss, was mit den Figuren geschehen ist und wie ihre aktuelle Situation aussieht. Zusammengehalten wird der Film trotzdem - durch seine wunderbaren Darsteller. Sara Forestier schafft es, ihre schwierige Figur haarfein so auszubalancieren, dass man mit ihr mitleidet, auch wenn ihre Verantwortungslosigkeit und Unvernunft immer wieder abstoßen. Neben ihr glänzen vor allem Adèle Haenel als Suzannes selbstbewusste, lebenstüchtige Schwester Maria, die als stille Heldin des Films immer wieder da ist, um Suzannes Scherben einzusammeln und zu kitten, und François Damiens als Vater, der seine Mädchen nach dem Tod seiner Frau alleine großzieht und verzweifelt versucht, ihrer aller Leben irgendwie zusammenzuhalten; Suzannes eigenwilligen Entscheidungen, die seine Bemühungen immer wieder torpedieren, hat er außer hilfloser Frustration aber nichts entgegenzusetzen. Zusammen mit der suggestiven Bildsprache und einem wohldosiert eingesetzten melancholischen Soundtrack sorgen sie dafür, dass der Film bei aller dramaturgischen Sperrigkeit als bittersüße Reflexion über die Kollateralschäden einer „große Liebe“ unter die Haut geht.
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