In der Nacht rückt der Autokorso mit den Beamten an, die Alain Marécaux (Philippe Torreton) und seine Frau verhaften und sie von ihren Kindern trennen. Beide sollen Teil eines pädophilen Netzwerks sein. Zeugen haben sie beschrieben, Opfer ihre Namen genannt. Damit beginnt das Martyrium von Alain, der dem Untersuchungsrichter vorgeführt wird, einem jungen, ehrgeizigen Mann, der von Anfang an keinen Zweifel daran lässt, dass er Alain für schuldig hält.
Der Film von Vincent Garenq beruht auf realen Ereignissen: Anfang der 2000er-Jahre erschütterte ein Justizskandal Frankreich; achtzehn Menschen wurden teilweise über Jahre in Untersuchungshaft gesteckt, ohne dass stichhaltige Beweise vorgelegen hätten. Garenq macht daraus ein dokumentarisch anmutendes Drama, das sich auf die autobiografischen Erinnerungen von Alain Marécaux konzentriert, einem emsigen Steuereintreiber und Familienvater. Aus dieser Perspektive entfalten sich die Ereignisse als erschütternder Passionsweg. Der Film zeichnet nach, wie aus dem unbescholtenen Bürger ein gebrochener Mann wird, wie er dazu gezwungen wird, seine Kanzlei unter Wert zu verkaufen, weil sein Name nichts mehr zählt, wie er seiner Familie entrissen und stigmatisiert in ein Gefängnis gesperrt wird, wie er in seinem Anwalt den einzigen Verbündeten findet, der an seiner Seite steht, und wie er schließlich versucht, sich umzubringen, weil er sich sicher ist, nie mehr aus diesem Albtraum aufzuwachen.
Die Darstellung von Philippe Torreton vermittelt diese Zerstörung eindringlich und intensiv: Alain erscheint zunächst als ein etwas beleibter Mann, der sich empört, dass man ihn wie selbstverständlich zu einem Pädophilenring rechnet, und der in der Haft schließlich alles zu verlieren droht: Zuerst seine Ehefrau, die vor ihm aus der Haft entlassen wird und bald einen anderen lieben lernt, dann seine Mutter, die vor Kummer stirbt, schließlich seinen ältesten Sohn, der in die Pubertät kommt und seiner Pflegefamilie immer mehr entgleitet.
Wenn Alain nach Jahren in den Gerichtssaal kommt, ist er aschfahl, abgemagert und ohne jede Hoffnung. Garenq inszeniert diesen Verfall virtuos-schonungslos: Lebte Alain zuvor in einer Art Landhaus, mit offenen Flächen, so wird das Gefängnis höchst klaustrophobisch inszeniert. Die Kamera bleibt nah an Alains Gesicht, weil sie wie der Protagonist kaum Platz zu finden scheint; selbst die Büros, in denen er sich mit seinem Anwalt berät, sind klein und beengend – alles vermittelt die Ausweglosigkeit und Beklemmung der Situation.
Der Film ist eine feinfühlige, vielschichtig gespielte Studie eines Justizirrtums, und damit auch ein überzeugendes Plädoyer für eine Justiz, die sich von öffentlichen Skandalisierungen und Hysterien nicht beeinflussen lässt, sondern die Grundrechte eines jeden Menschen, auch der Angeklagten, bewahrt.