Tanta Agua - Nichts als Regen

Drama | Uruguay/Mexiko/Niederlande/Deutschland 2013 | 107 (24 B./sec.)/103 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Ana Guevara

Ein 14-jähriges Mädchen in der Pubertät und sein jüngerer Bruder verbringen die Ferien bei ihrem nach der Scheidung allein lebenden Vater. Ein immerwährender Regen grenzt ihre Aktivitäten erheblich ein, sodass ihre Probleme auf dem beengten Raum der Ferienwohnung ungeschützt aufeinanderprallen. Der Debütfilm bietet feinsinnige Alltagsbeobachtungen und entwickelt sich zum stimmungsvollen, wortkargen Drama, das trotz der durch das Setting vorgegebenen Schwere leicht bleibt und den Alltag als ein Geflecht von kleinen Handlungen, Gesten und Blicken begreift.(O.m.d.U.) - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
TANTA AGUA
Produktionsland
Uruguay/Mexiko/Niederlande/Deutschland
Produktionsjahr
2013
Produktionsfirma
Control Z Films/Bonita Films/Topkapi Films/Komplizen Film
Regie
Ana Guevara · Leticia Jorge
Buch
Ana Guevara · Leticia Jorge
Kamera
María José Secco
Musik
Maximiliano Angelieri
Schnitt
Ana Guevara · Leticia Jorge · Yibrán Assaud
Darsteller
Malú Chouza (Lucía) · Néstor Guzzini (Alberto) · Joaquín Castiglioni (Federico) · Sofía Azambuya (Madelón) · Andrés Zunini (Diego)
Länge
107 (24 B.
sec.)
103 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
28.11.2013
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Es ist sicherlich kein Zufall, dass das Filmplakat zu „Tanta Agua“ stilistisch und atmosphärisch an die Illustrationen des US-Comiczeichners Adrian Tomine erinnert. Ein Vater – trüber Gesichtsausdruck, Schirm in der Hand, die Beine knietief im Wasser – und seine beiden Kinder sitzen darauf missmutig an bzw. auf einem Tisch, während der Regen in gleichmäßigen feinen Linien den Bildhintergrund strukturiert, in dem sich gerade noch die Konturen eines Innenraums abzeichnen. Visuell betrachtet, hat der Film „Tanta Agua“ zwar rein gar nichts Comicsprachliches, versammelt aber all die Tugenden, die man an den traurig-schönen Graphic Novels von Tomine so schätzt: feinsinnige Alltagsbeobachtungen, Figuren am Rande des Scheiterns, dicke Nebelwolken voll Melancholie, die sich immer wieder mal lichten und Platz machen für einen kurzen Einbruch von Leben, auch von Lebensfreude. Zwei Bilder – und Stimmungen – beherrschen im Wesentlichen das Debüt der beiden uruguayischen Filmemacherinnen Ana Guevara Pose und Leticia Jorge Romero: der Titel gebende Regen – er prasselt auf Windschutzscheiben, türmt sich auf dem Asphalt, überfüllt den Swimmingpool und jagt die Menschen aus dem Freien – sowie die räumliche Enge. Wenn sich die 14-jährige Lucía im Stockbett der etwas schäbigen Ferienwohnung einrichtet, wohin sie der seit der Scheidung allein lebende Vater mit ihrem jüngeren Bruder eingeladen hat, kann man regelrecht die Begrenzungen des Raums spüren – ebenso wie am einzigen Tisch, wo die etwas forcierte Formation von Familie meist schweigend isst und aus Mangel an Alternativen, da es ja immer regnet, sich die Zeit gelangweilt mit Würfelspielen vertreibt. Oder im Auto, auf dem Weg zum Supermarkt und zu so seltsamen Ausflugszielen wie Wasserkraftwerken und Abfüllanlagen. Vater und Tochter schauen und reden das wenige, was sie von sich geben, meist aneinander vorbei. Dabei teilen sie mehr, als sie ahnen: einmal mustern sich beide unabhängig voneinander auf einer öffentlichen Toilette kritisch im Spiegel. Auch wenn die Krise des etwas trägen, dicklichen Alberto natürlich eine andere ist als die Pubertätskrise der Tochter, machen sie mitunter Ähnliches durch: Erfahrungen wie Ablehnung, falsche Hoffnungen, ein lähmendes Gefühl von „nicht wissen wohin mit sich“. „Tanta Agua“ ist ein eher wortarmer Film; es sind vor allem die Körper, die hier sprechen: Albertos Bewegungen, die denen eines tapsigen Bärs gleichen, Lucías schluffiger Gang, die hängenden Schultern, ihr meist geschlossener Mund, der hartnäckig eine Zahnspange versteckt, der ernste, fragende Blick, dazwischen der eher ahnungslos wirkende Bruder, der auch kein Energiebündel ist. Von der Schwere der Körper aber lässt sich der Film nicht infizieren. Trotz dichtem Regen, trüber Farben und knappem Bewegungsradius ist „Tanta Agua“ ein eher leichter Film. Er hängt das Drama nicht zu hoch – weder die enttäuschte Liebe Lucías, noch den Fahrradunfall des Bruders oder das etwas verholperte Getriebe der Familie. Ana Guevara Pose und Leticia Jorge Romero begreifen den Alltag als ein Geflecht von kleinen Handlungen, Gesten und Blicken, viel mehr brauchen sie nicht.
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