Man kann nichts jagen, das es nicht gibt, kontert Florence, als ein Mann sie als „Geisterjägerin“ bezeichnet. Florence hat nicht den Gespenstern den Kampf angesagt, sondern dem Glauben an sie. Gleich zu Beginn sieht man, wie sie eine Séance unterbricht und die Beschwörung der Toten als Scharlatanerie entlarvt. Das kann Florence, weil sie unbestechlich scharfsichtig wie ein weiblicher Sherlock Holmes ist und über geballtes wissenschaftliches Knowhow verfügt. Was sie nicht kann, ist die Ursachen dafür zu beseitigen, dass ihre Zeitgenossen für den Geisterglauben so empfänglich sind. Der Erste Weltkrieg und die Spanische Grippe haben zu viele Menschenleben gekostet; der Schmerz und die Verunsicherung liegen im Jahr 1921, in dem der Film spielt, wie ein grauer Schleier über dem Land (was einem die Farbpalette vor Augen führt) und kanalisieren sich in der Hinwendung zum Übernatürlichen. Auch in dem Internat für Jungen, in das Florence gerufen wird, um einer angeblichen Geistererscheinung auf den Grund zu gehen, sind die Wunden sichtbar: Zwei Lehrer sind aus dem Krieg heimgekehrte, körperlich und/oder seelisch versehrte ehemalige Soldaten; der Hausmeister leidet dagegen unter der sozialen Brandmarkung, nicht im Krieg gedient zu haben. Nun ist ein Junge gestorben, und Florence soll beweisen, dass es damit eine natürliche Ursache hat und dass nicht der Geist eines anderen Kindes dafür verantwortlich ist, das in dem herrschaftlichen Anwesen ums Leben gekommen sein soll. Aber sind die Toten nicht doch präsent? Muss man sich nur vor den Lebenden hüten?
Nick Murphys Film bietet über weite Strecken (unblutigen) Geister-Horror in den Fußstapfen der klassischen Gothic Novels und ist zugleich ein fesselndes Drama, das von seiner Hauptdarstellerin Rebecca Hall sowie der Spannung zwischen den Figuren lebt. Seltsame Vorkommnisse, die einen immer wieder daran zweifeln lassen, ob Florence‘ Vertrauen in rationale Erklärungen nicht doch zu kurz greift, befeuern die nervliche Belastung, die mehr und mehr an den Charakteren zerrt. Sie kommt aber auch von innen, als Resultat von Erfahrungen, die sich nicht abschütteln lassen, und sie prägt die zwischenmenschlichen Beziehungen. Im Mikrokosmos der Schule, wo auch die lebendigen Schüler mit ihren weißen Hemden und blassen Gesichtern wie Geister einer verlorenen Generation wirken, entsteht das beklemmende Panorama einer vom Krieg traumatisierten Gesellschaft, deren Vertrauen ins Welt- und Menschenbild der Aufklärung ins Wanken geraten ist. Viel mehr als eine versierte Kameraarbeit, einen atmosphärischen Schauplatz und einige dezent eingesetzte Effekte braucht es da nicht, um gepflegte Unheimlichkeit zu verbreiten. Dass die Auflösung, die für das Rätsel um den angeblichen Spuk eines toten Kindes gefunden wird, etwas banal wirkt, sieht man dem Film angesichts seiner eindringlichen Protagonisten gerne nach.