"Der Zauberer von Oz“ von Victor Fleming ist einer jener Filme, die auch 70 Jahre nach ihrer Entstehung nichts von ihrer Faszination verloren haben. Dass nun Sam Raimi die Vorgeschichte des Zauberers aufrollt, macht Sinn: Raimi durchbricht auch hier die Grenzen des Realismus und kreiert eine Magie, die man so noch nicht gesehen hat. Der Regisseur zieht bereits im Vorspann mit einem Mix aus Wirbeln, Strudeln und sich drehenden Röhren, die durch perfektes 3D weit in die Tiefe weisen, in die Geschichte hinein. Zunächst ist der Film in Schwarz-weiß und im alten 4:3-Format. Oscar Diggs ist ein Zauberer, der 1905 irgendwo in Kansas die wenigen Besucher eines Zirkus mit Tricks und Illusionen unterhält. Wegen seiner zahllosen Frauengeschichten, die besonders den eifersüchtigen Gewichtheber des Zirkus auf die Palme bringen, sieht er sich zur Flucht im Fesselballon gezwungen. Prompt gerät er, wie weiland Dorothy, in einen Wirbelsturm, der ihn in die Welt von Oz schleudert. Jetzt öffnet sich der Film an den Seiten und leuchtet in kräftigen Farben. Rasch lernt Oscar neue Gefährten kennen, den geflügelten Affen Finley und ein kleines Porzellanmädchen, das seine Familie verloren hat. Oscar wird von allen für den Zauberer von Oz gehalten, der die Smaragdstadt, eine Art futuristisches Walhalla mit grünen Türmen, von der bösen Hexe Evanora und ihrer Schwester Theodora befreien soll. Glinda, die gute Hexe, hat Oscar zwar durchschaut. Dennoch bittet sie ihn inständig, den Menschen von Oz zu helfen. Der Showdown, bei dem die Bewohner trickreich mit einbezogen werden, ist auch eine kleine Hommage an das Kino der Frühzeit, insbesondere an Georges Méliès. Mit einem „Praxinoscope“ gelingt es Oscar nämlich, sein Antlitz übergroß auf Wolken zu projizieren und so den Eindruck von Übermacht herzustellen. Er ist zwar kein Zauberer, aber ein Illusionist, und dieses „make believe“ ist das eigentliche Geheimnis seines Erfolgs. Mit Mut, Erfindungsreichtum und Vertrauen kann man das Böse besiegen, man muss sich bloß seiner Berufung stellen und sie annehmen – das ist die schlichte Botschaft des Films. Sam Raimi hat mit seinem neuen Werk eine Bilderwelt geschaffen, die schlichtweg atemberaubend ist. Er feiert die Illusion des Kinos, die in eine fremde, nie gesehene Welt entführt. Dabei profitiert der Film vom klugen Einsatz von 3D. Hier geht es nicht nur um Tiefe, sondern auch um eine neue Form des Erzählens, bei der nichts mehr unmöglich scheint. Der Film hat nur ein Manko: eine eigentümliche Kühle geht von ihm aus.