Drama | Deutschland 2012 | 84 (24 B./sec.)/81 (25 B./sec.) Minuten

Regie: Stefan Butzmühlen

Ein junger Mann verbringt den Sommer bei seiner Familie in der ländlichen Extremadura, wo er sich in einen anderen Mann verliebt. Der Film oszilliert zwischen scharfem Tageslicht und Nachtszenen, dokumentarischen Einblicken ins Dorfleben und geheimnisvollen, poetischen Szenen. Elliptisch und wortkarg, lebt er vor allem von seiner Atmosphäre, weniger von der Handlung, und entwirft ein ausdrucksstarkes Bild Spaniens zwischen stolzen Traditionen und gegenwärtiger Krise. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Salzgeber & Co. Medien/Stefan Butzmühlen/Cristina Diz
Regie
Stefan Butzmühlen · Cristina Diz
Buch
Stefan Butzmühlen · Cristina Diz
Kamera
Stefan Neuberger
Musik
Nikolaus Feinig · Johannes Weißschnur
Schnitt
Cristina Diz · Stefan Butzmühlen
Darsteller
Raúl Godoy (Carlos) · Jaime Pedruelo (Juan) · Ángel Muñoz Ruiz (Vater) · Pepa Durán Sánchez (Mutter) · David Ruiz Miranda (Bruder)
Länge
84 (24 B.
sec.)
81 (25 B.
sec.) Minuten
Kinostart
17.01.2013
Fsk
ab 0 (DVD)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 span.)
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Diskussion
Ein schattiger Innenhof im Sommer. Ein junger Mann sitzt an einem Tisch und liest. Ein alter Mann schaut die Wand an, lässt seinen Blick über die grünen Pflanzen auf dem weißen Putz schweifen. Zögernd geht er zum Ausgang. Der junge Mann eilt ihm nach: „Papa, siehst Du nicht, dass Du keine Schuhe anhast?“ Wie all die Jahre zuvor verbringt Carlos den Sommer im Haus seiner Eltern in der südspanischen Extremadura. Aber diesmal ist alles anders, denn er weiß nicht, wie lange er bleiben wird: Spanien wird von der Wirtschaftskrise geschüttelt, und Carlos findet in Madrid keine Arbeit mehr. Der Vater wird zunehmend senil; Carlos möchte ihm bei der Arbeit mit den Schafen helfen. „Sleepless Knights“ führt in einen ländlichen Mikrokosmos; er zeigt Rituale und Verfallsprozesse im Familien- und Dorfleben von der Disco bis zur Fronleichnamsprozession oder dem Bad im Stausee. Im langsamen Rhythmus und in den ruhigen Einstellungen und Plansequenzen wird deutlich, dass Carlos hier seine Wurzeln hat und sich gleichzeitig fremd fühlt. Auch Juan wirkt wie ein Fremdkörper innerhalb seiner Kameraden von der Guardia Civil. Juan und Carlos kommen sich näher, werden ein Paar. Das erzählen Stefan Butzmühlen und Cristina Diz in ihrem Debütfilm lakonisch, beiläufig; sie betten die Liebe der beiden Männer zwischen distanzierte Leichtigkeit und Melancholie in einen bukolisch sinnlichen Sommer, zwischen Trägheit und plötzlicher Lebendigkeit. Nur spärlich sickern die Nachrichten aus dem fernen Madrid hierher: Krise, Arbeitslosigkeit, die Massenproteste gegen die Banken und die Regierung. Die politische und soziale Gegenwart des Landes wirkt so unwirklich wie die archaischen Legenden der Vergangenheit, an die das Dorf mit historischen Kostümen erinnert. Immer wieder tauchen, fast ein surreales Moment, ältere Männer in Ritterrüstungen auf, halb Kreuzzug, halb Wallfahrt oder Passionsspiel. Es geht um eine Episode aus dem Kampf der Christen gegen die Mauren, der so genannten „Reconquista“. Die Burg über dem Dorf war einst von Mauren besetzt. Den zahlenmäßig unterlegen christlichen Truppen gelangten nur durch eine List zum Sieg, so die Legende: Sie trieben alle Schafböcke der Umgebung zusammen und banden ihnen Fackeln an die Hörner. In der Dunkelheit führten sie die Herde auf die Burg zu. Die Mauren vermuteten ein großes christliches Heer und ergriffen die Flucht. Bis heute wird im Dorf an diese Legende erinnert; eine der visuell stärksten Filmszenen ist der Marsch der Herde mit ihren Fackeln im Dunkeln der beginnenden Nacht. „Sleepless Knights“ zeichnet eine interessante Mischung von alltäglichen, fast dokumentarischen Elementen mit geheimnisvollen, poetischen Szenen aus, eine lakonische, fast elliptische Form, wortkarg, aber ausdrucksstark. Der Film erzählt zwischen greller Mittagssonne und den geheimnisvollen schwarz-blauen Dunkel der Nacht primär nicht narrativ, sondern atmosphärisch, fast kontemplativ. Ein beeindruckender Film über das Verrinnen der Zeit, mit einem nahezu verfremdeten Spiel der Laiendarsteller und brillant komponierten Bildern; beispielsweise die Schlussszene, in der eine Band vor nahezu leerem Festzelt einen letzten Bolero spielt: „Bitte versteh’, dass ich Dich vergessen muss. Ich will nicht mehr leiden, Dich nicht noch mal verlieren.“ Aber keiner hört mehr zu.
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