Abenteuer | Australien 2011 | 105 Minuten

Regie: Daniel Nettheim

Ein Konzern schickt einen wortkargen, eigenbrötlerischen Mann nach Tasmanien, der Jagd auf ein eigentlich ausgestorbenes Tier machen soll: den Tasmanischen Tiger. Der Jäger gerät dabei nicht nur mit konkurrierenden Interessengruppen in Konflikt, sondern auch mit sich und seinem Auftrag, da er sich auch einer Witwe und ihrer beiden kleinen Kinder annimmt. Melancholischer Abenteuerfilm, der durch seine geduldige Inszenierung die Entwicklung des Protagonisten mit hoher Glaubwürdigkeit skizziert und bildgewaltig das gebrochene Verhältnis von Mensch und Natur ins Visier nimmt. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE HUNTER
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
2011
Produktionsfirma
Porchlight Films/Screen Australia
Regie
Daniel Nettheim
Buch
Alice Addison
Kamera
Robert Humphreys
Musik
Andrew Lancaster · Michael Lira · Matteo Zingales
Schnitt
Roland Galllois
Darsteller
Willem Dafoe (Martin David) · Frances O'Connor (Lucy Armstrong) · Sam Neill (Jack Mindy) · Sullivan Stapleton (Doug) · Callan Mulvey (Jagd-Rivale)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Abenteuer
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein ausführliches vierteiliges "Making of" (31 Min.).

Verleih DVD
Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Ascot/Elite (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Schön ist die Kreatur, der die Männer nachjagen: der tasmanische Tiger, graziös, schlank, mit schmalem Kopf und schwarzen Streifen auf dem Rücken. Er sieht aus wie eine Mischung aus Raubkatze und Wolf, gehört zur Gattung der Beuteltiere – und ist wahrscheinlich seit den 1930er-Jahren ausgestorben. In Daniel Nettheims herzzerreißendem, tiefst melancholischem Abenteuerfilm wird dieses Tier wiederbelebt – nur um gleich erneut zu sterben. Zwar scheinen die tasmanischen Wälder ihm noch Lebensraum zu bieten; doch machen die Begehrlichkeiten der Menschen keinen Halt vor der Natur, die Nettheim in strenger, geradezu mythischer Erhabenheit zeichnet. Ein Konzern will Gerüchten um aktuelle Sichtungen des angeblich ausgerotteten Tasmanischen Tigers nachgehen; er hat es auf die wertvolle DNA des Tiers abgesehen. Also wird der Jagdexperte Martin David losgeschickt, um sie zu beschaffen. Wie professionell dieser sein Handwerk ausübt, sieht man daran, mit welcher Raffinesse und Präzision er Fallen stellt. Einige davon sind kleine Kunstwerke, mit ruhigen, sicheren Handbewegungen arrangierte tödliche Gebilde aus Schlingen, Schnur, Stöckchen und Köder. Martin ist ein Einzelgänger, ganz fokussiert auf die Jagd. Unter dem Vorwand, als Wissenschaftler in den Wäldern forschen zu wollen, quartiert er sich in der Gegend ein, in der Gerüchte über das legendäre Raubtier kursieren, landet aber in einem Umfeld, das etwas ihn ihm weckt, was seinen Jagdtrieben in die Quere kommt: der Beschützerinstinkt. Lucy Armstrong und ihre beiden Kinder leben allein, seit der Ehemann und Vater, ein engagierter Naturschützer, in der Wildnis verschollen ging; Lucy hat dies nicht verkraftet und dämmert, von Tabletten betäubt, vor sich hin, während Haus und Kinder verwahrlosen. Trotz Martins anfänglicher Schroffheit lässt ihn die emotionale Bedürftigkeit des aufgeweckten Mädchens und vor allem des stillen, scheuen Jungen nicht kalt. So sucht er in den Wäldern bald nicht nur nach dem geheimnisvollen Beuteltier, sondern auch nach Hinweisen auf das, was mit Lucys Mann passiert ist. Zwischen seinen Exkursionen in die Wildnis und seinen Versuchen, den Armstrongs auf die Beine zu helfen, gerät er nicht nur mit sich selbst in Konflikt, sondern auch mit den unterschiedlichen Gruppen, die an den tasmanischen Wäldern und ihren Ressourcen interessiert sind. Konsequent steigert der Film die Spannung, ohne künstlich das Erzähltempo anziehen oder auf viel Action setzen zu müssen. Martins innere und äußere Reise entfaltet einen beträchtlichen Sog, gerade weil der Film sich Zeit nimmt, auf Details zu schauen, aus denen sich das Profil der Hauptfigur sowie die Geschichte konstituieren: Geduld und ein Blick für die Spuren, die unaufmerksame Augen übersehen, ist eine der Haupttugenden, die ein guter Jäger mitbringen muss, und Nettheim macht sich diese Tugenden als Filmerzähler kongenial zu eigen. Martin David begegnet man als wortkarger Figur, die von Regie und Hauptdarsteller überwiegend über alltägliche Handgriffe definiert wird, über Dinge, mit denen sie sich umgibt, und darüber, wie sie diese behandelt, über den aufmerksamen Blick aus Willem Dafoes frappierend blauen Augen. Martin hat zwar die Selbstgewissheit und die Autonomie klassischer Abenteuerhelden, jedoch werden in der Figur auch die negativen Kehrseiten dieser Selbstständigkeit reflektiert, Rücksichtslosigkeit, Kontrollsucht, das Eigenbrötlertum. Auf seiner Suche nach dem Tasmanischen Tiger (der als womöglich letzter seiner Art auch ein Spiegel für Martins eigene Einsamkeit ist) lässt „The Hunter“ seine Titelfigur das finden, was sie am wenigsten gesucht hat: ein Gefühl von Verantwortung für andere, ein In-Beziehung-Treten mit Mitmenschen und Umwelt, das über das Jäger-Beute-Schema hinausgeht. Dass dieser Lernprozess von der Tragik des Zuspätkommens überschattet wird, ist bezeichnend für den realistischen Blick, mit dem hier das Verhältnis von Mensch und Natur reflektiert wird.
Kommentar verfassen

Kommentieren