Die glückliche Braut marschiert, eng umhüllt vom Traum in Weiß, zum Altar. Ein Ring, ein Versprechen, ein Kuss. Oder lieber doch nicht? Abgesehen von steuerlichen Vorteilen, hat der „der schönste Tag im Leben einer Frau“ in der Prioritätenliste junger, gut ausgebildeter Frauen in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung verloren. Höchstens noch durch Filme und Serien glorifiziert und durch alte Schulfreunde in ländlichen Gebieten gepflegt, vertragen sich Hochzeitsträume und der Lebensstil in Zeiten knapper Arbeitsmärkte und serieller Monogamien ohnehin immer weniger. In Nicholas Stollers romantischer Komödie auf dem Abwärtstrip geht es um das, was in den meisten Romantic Comedies ausgeblendet wird und worum sich heute so viele Diskussionen unter jungen Pärchen und älteren Politikern ranken: Flexibilität ist gefragt, Job- und Ortswechsel sind selbstverständlich. Die Frage, wer für die Gemeinsamkeit mit welcher Konsequenz zurücksteckt, wird zum Knackpunkt.
In „Fast verheiratet“ bedeutet der Zustand des Titels fünf Jahre Verlobungszeit. Der Heiratsantrag von Tom an Victoria steht, deren Schwester noch auf der Verlobungsfeier vom etwas tumben Schwager in spe geschwängert und geehelicht wird – und das in einer beneidenswert schönen Freiluftzeremonie. Victorias Planung des festlichen Gegenschlags läuft, doch da bekommt die junge Frau eine reizvolle Uni-Stelle im frostigen Michigan angeboten – und Gourmet-Koch Tom zieht mit. Der verliebte Verlobte legt seine Chancen auf ein eigenes Restaurant im sonnigen San Francisco sozusagen auf Eis. Tom stapelt in Michigan Hamburger aufeinander und entwickelt in der Einöde bald eine beunruhigende Vorliebe für Bärte, selbstgestrickte Pullis mit Motiven von Tieren, auf die er bald selbst Jagd macht. Nicholas Stollers Film ist eine Produktion von US-Komödien-König Judd Apatow. Wie schon bei ihrem Regie-/Produktionsgespann für „Nie wieder Sex mit der Ex“
(fd 38 757) hat man den Eindruck, dass Apatows Produktionen (wie seine eigenen Filme) zwar durchaus ins Ruppige stoßen dürfen, Stoller aber weit charmanter und liebevoller in den Kampf der Geschlechter zieht. Während unter Apatows Regie die Drogen-, Sex- und Körperausscheidungsunfälle seiner Jungmänner triumphieren, sind Stollers Figuren diesen einen Schritt voraus und hantieren nicht immer unfallfrei, aber wesentlich geschmackvoller mit den Pheromonen. Jason Segel spielt erneut den Prototyp des Knuddelbär-Partners und füllt seine Rolle ebenso unprätentiös aus wie Emily Blunt; charmant ergänzt werden beide von Rhys Ifans als Uni-Dozent, der als potenzieller Konkurrent zum „Angreifer“ des verlobten Durchschnittspärchen wird. So angenehm unglamourös der Film diese Konstellation aufrollt, kommt er dabei doch ins Strahlen: Tom und Victoria lieben sich, und das ohne Ringe, aber unter allerhand Trauungsdruck – vor allem von Seiten der langsam wegsterbenden Großeltern.
Stoller erfindet die romantische Komödie nicht neu, er transformiert sie: Hier haben sich zwei Liebende längst gefunden, die Verlobung ist nicht mehr das Ziel, sondern der Startschuss vieler unromantischer Momente eines gefährlichen Alltagstrotts, der jede Beziehung in fünf Jahren einholen kann. „Fast verheiratet“ ist im Vergleich zu aktuellen US-Konkurrenzfilmen ein ehrlicher Vertreter des Genres, der von einer ungesunden Assimilation und den zeitgenössischen Problemen einer emanzipierten Beziehung erzählt, die alle Klimazonen und Grenzen überlebt. Wenn der Befreiungsschlag des Zurücksteckenden kommt, dann hat das Ergebnis ebenso wenig mit dem Kleinmädchentraum einer monströs pompösen Hochzeit zu tun wie mit dem Geschlecht desjenigen, der den zweiten Vorstoß zu machen hat.