Es war einmal ein kleines Land, in dem das Kino blühte: Seit 1950 wurden in Palästina 300 Spielstätten eröffnet, unter ihnen auch das „Cinema Jenin“. Das existierte bis ins Jahr 1987; kurz nach Beginn der ersten „Intifada“ wurde es als eines der letzten palästinensischen Kinos geschlossen. Bei den Dreharbeiten zu „Das Herz von Jenin“
(fd 39 276) kam der deutsche Dokumentarist in die Stadt und lernte nicht nur den Protagonisten Ismael Khatip sowie den Übersetzer Fakri Hamad kennen, sondern ließ sich auch von der Idee begeistern, das leer stehende Kino als Ort der Völkerverständigung wieder aufzubauen. Denn im Gefolge der Intifada war ein normales Leben mit Kino und Unterhaltung nahezu unmöglich geworden. Außer dem „Freedom Theatre“ – dessen Leiter noch vor Fertigstellung von „Cinema Jenin“ auf offener Straße ermordet wurde – und einem kleinen Orchester existieren in der 35.000-Einwohner-Stadt keine kulturellen Einrichtungen.
Von Anfang an begleiteten Vetter und seine beiden Co-Bildgestalter das Projekt der Wiederöffnung mit der Kamera: „Alles sah aus, als ob es unmöglich wäre. Das ganze Kino war voll mit Tauben; wegen der Asbestverseuchung konnte man es nicht ohne Atemschutz-Maske betreten.“ Stilistisch ist „Cinema Jenin“ ein persönliches filmisches Tagebuch, das in seiner Reportagehaftigkeit eher an ein zu lang geratenes Fernsehfeature erinnert. Vieles wirkt wie zufällig eingefangen, korrespondiert weder mit der vorangehenden noch mit der nachfolgenden Szene. So gibt es Redundanzen und Leerstellen; gerne würde man beispielsweise erfahren, mit welchen Filmen das Kinoprojekt seinen „Friedensauftrag“ erfüllen will. Aber es gibt auch charismatische Protagonisten wie den altgedienten Vorführer, der die verrotteten Projektoren wieder zum Laufen brachte und die Träume aus Licht auf die Leinwand zaubert.
Bis es soweit ist, dokumentiert der Film den beschwerlichen Weg der Initiatoren durch den Dschungel der palästinensischen Selbstverwaltung, erzählt von der Skepsis und den (politischen) Vorurteilen, die ihnen begegnen; aber auch von der Hilfsbereitschaft, die das Projekt auslöste: Dutzende Freiwillige aus aller Welt strömen herbei, um unentgeltlich ein Haus neben dem Kino als Gästehaus zu sanieren und das Kino wieder aufzubauen. Als dem Projekt die Gelder auszugehen drohten, drang man bis zum palästinensischen Präsidenten vor und konnte Roger Waters, Mitbegründer der Rock-Gruppe „Pink Floyd“, als Unterstützer gewinnen; Mittel kommen auch vom Auswärtigen Amt. Eine Delegation aus Brandenburg, mit Ministerpräsident Matthias Platzeck an der Spitze, bringt eine Solaranlage als Gastgeschenk – und für Augenblicke verwandelt sich „Cinema Jenin“ in einen Werbefilm deutscher Entwicklungs- und Filmförderungshilfe. Dann aber kehrt der Film wieder zu seiner Botschaft zurück, dass Kultur die Gräben zwischen den verfeindeten Parteien überwinden kann. In der eindringlichsten Szene des Films verbittet sich ein Diskussionsteilnehmer im vollbesetzten Kino vehement, dass einer der auf der Bühne sitzenden Initiatoren eine Pistole trägt: Frieden schaffe man nicht mit Waffen. Neben diesem unüberhörbaren Appell ist „Cinema Jenin“ in seinen besten Momenten auch eine Hommage an das Kino. Welchem Cineasten geht angesichts eines solchen Vertrauensbeweises in die humanistische Kraft des Kinos nicht das Herz auf – auch wenn der (Film-)Verstand etwas unterfordert ist?