Seine Herkunft ist ebenso mysteriös wie jene Gewitternacht, an der man auf den Stufen des Madrider Kapuzinerklosters einen Säugling fand. Ende des 18. Jahrhunderts ist aus dem Findelkind aber Pater Ambrosio geworden, der für seine Gottesfürchtigkeit und Disziplin geachtet weithin wird. Die Elite der Stadt versammelt sich und lauscht gebannt seinen Predigten. Besonders der weibliche Teil der Gemeinde ist gebannt angesichts der charismatischen Ausstrahlung des Mönchs und der Erbaulichkeit seiner Worte. Doch hinter den Klostermauern lebt Ambrosio ein Leben voller Selbstzweifel und Schmerzen. Mit ihm werden auch die Klosterbrüder von dunklen Vorahnungen gequält, dass möglicherweise der Teufel vor den Mauern sein Unwesen treibe. Als ein vermeintlich verunstalteter, durch eine Maske geschützter Novize wider besseres Wissen ins Kloster aufgenommen wird, nimmt das Unheil seinen Lauf. Gegenüber Ambrosio offenbart er sich als Matilda, die nicht nur dem Gotteswort des Mönchs verfallen ist.
Seit Anbeginn der fantastischen Literatur erfahren die Kirche und die Versuchung ihrer Repräsentanten durch das Böse eine intensive Aufarbeitung. Matthew Gregory Lewis’ erstmals 1796 veröffentlichter Roman ist ein frühes Beispiel dieser Literatur und gilt als wichtiger Vorläufer der „schwarzen Romantik“, die sich später erfolgreich u.a. in den Werken der Schwestern Brontë wiederfindet. Das Buch erregte seinerzeit besonders wegen seiner blasphemischen Passagen immenses Aufsehen; bereits zwei Mal wurde es adaptiert, doch weder „Der Mönch und die Frauen“
(fd 20 248) noch „The Monk“
(fd 29 786) gelang es, den Schauder der „Gothic Novel“ sowie die romantisch-dramatische Seite der teuflischen Tragödie adäquat zu visualisieren.
Der französische Regisseur Dominik Moll versucht nun einen vielversprechenden audiovisuellen Zugang zu der in vielen Nebenhandlungen mäandernden Geschichte des mysteriösen Mönchs, der, durch diverse Versuchungen geleitet, sein verfaultes Inneres offenbart und sich vom Heiligen zum Mörder und Vergewaltiger wandelt. Dabei interessiert sich Moll weniger für die mitunter sehr expliziten Ausführungen des Romans, sondern widmet sich vielmehr den romantisch-tragischen Elementen der Geschichte. Lewis thematisierte neben den satanischen und antiklerikalen Inhalten vor allem das Tabu, innerhalb der Klostermauern menschlichen Trieben und dem Wunsch nach Partnerschaft zu frönen; der Film gibt diesem „Kampf der Gefühle“ einen melodramatischen Anstrich, als entstamme der Roman der wildromantischen Feder einer der Brontë-Schwestern und nicht der eines radikalen Gesellschaftskritikers und obsessiven Horror-Afficinados. Das ist bedauerlich, da Ambrosio literaturgeschichtlich zu den ersten Figuren der fantastischen Literatur gehört, die das Böse aus sich heraus hervorbringen und nicht durch Dämonen und Geister angestachelt werden. Gleichwohl ist die Umgewichtung interessant, befreit Moll die Handlung doch ein Stück weit von ihrem Skandalpotenzial und überführt sie in ein fast schon zu dezentes Kammerspiel. So wirken Ambrosios Versuchungen seltsam harmlos; zudem erscheint die Szenerie nicht archaisch genug; die Inszenierung schwankt unentschieden zwischen einer opulenten Gewaltoper à la Ken Russell und der schmerzenden Strenge einer historischen Pasolini-Tragödie. Brillant ist indes die Besetzung mit Vincent Cassel als Mönch, der kongenial die charismatische Figur verkörpert, die Güte und Widerwärtigkeit in sich vereint. Großartig auch die Kameraarbeit von Patrick Blossier sowie die Musik von Alberto Iglesias, die mit untrüglichem Gespür für die emotionalisierende Kraft der Kontraste in ihrem Metier jeweils dafür verantwortlich zeichnen, dass dem Film eine nachhaltig bedrohlich-unheimliche Stimmung entströmt.