Es ist genauso oft verdrießlich, seiner Zeit voraus zu sein, wie ihr hinterher zu hinken, insbesondere wenn der Status Quo von einer standesbewussten Zunft gehütet wird. Für den jungen Arzt Mortimer Granville sind seine Lehrjahre um das Jahr 1880 jedenfalls keine Herrenjahre: Jedes Mal, wenn er zu einer Litanei über gefährliche Keime und die Bedeutung medizinischer Hygiene anhebt, schütteln seine Oberen missmutig den Kopf und wünschen ihm viel Glück beim nächsten Arbeitgeber. So steht Granville mal wieder auf der Straße und spricht zur Abwechslung nicht bei einer großen Klinik, sondern in der privaten Praxis von Dr. Robert Dalrymple vor. Dieser hat sich auf die ebenso unspezifische wie unter den Frauen der besseren Gesellschaft offenbar weit verbreitete Hysterie spezialisiert und kann sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen. Kein Wunder: Seine Therapie besteht darin, die Patientinnen auf einer Liege zu drapieren und mit der Hand sexuell zu befriedigen. Bei korrekter Anwendung tritt der Heilungserfolg sogleich ein und hält in der Regel bis zum nächsten Termin vor.
Der beliebte Epigraph „Nach einer wahren Geschichte“ wird in Tanya Wexlers Komödie durch den Zusatz „Doch, wirklich!“ ergänzt, was zeigt, dass hier die aufgeklärte Gegenwart auf ihre Anfänge zurückblickt und amüsiert feststellt, wie verklemmt sie einmal war. Geradezu haarsträubend komisch ist vor allem die kragensteife Seriosität, mit der in der Praxis von Doktor Dalrymple der medizinische Schein gewahrt und todernst über das epidemische Krankheitsbild der Hysterie geredet wird. Auch Granville verzieht keine Miene, als er – vermutlich den hippokratischen Eid memorierend – zum ersten Mal ans heilende Werk geht, und ist bei den Patientinnen bald so gefragt, dass ihn erste Unterarmspasmen quälen. Spätestens hier muss man an „Irina Palm“
(fd 38 197), die etwas derbere, da in der Gegenwart angesiedelte Komödie einer „wanking widow“, denken, die eines Tages unter dem in der Branche gefürchteten „Wichsarm“ leidet. Wobei „In guten Händen“, dem viktorianischen Zeitalter angemessen, die geschliffeneren Dialoge und die verfänglicheren Situationen hat.
Natürlich ist die puritanische Gesellschaft um 1880 ein dankbares Ziel für jede Art von mildem Spott. Anscheinend lässt sich nichts leichter aus der Fassung bringen als die Prüderie, weil jeder Spaziergang im Park potenziellen Anlass zum Erröten bietet – bei Wexler haben sich vor allem die Enten gegen die restriktive Sexualmoral verschworen. Auch die Frage, wie sich die Viktorianer eigentlich fortpflanzten, bleibt nicht ausgespart: Wie es der Zufall will, hat Dr. Dalrymple zwei hübsche Töchter, zwischen denen sich Granville nicht so recht entscheiden kann. Die eine ist brav und sittsam, die andere eine Suffragette, die auf Pump ein soziales Zentrum für die Armen finanziert. Die beiden könnten also nicht unterschiedlicher sein und sind im Rahmen der Komödie auf ihre Weise eine jeweils glänzende Partie. Bei diesem Stoff erscheint nichts weniger überraschend als britisches Understatement, und doch ist der elegante Eindruck, den „In guten Händen“ hinterlässt, beileibe keine Selbstverständlichkeit. Das Drehbuch ist (im englischen Original) bewundernswert pointensicher und das prominente Ensemble eine Schau. Außerdem bietet der Film zwei Wendungen, die man nicht unbedingt kommen sieht und die deshalb hier nur angedeutet seien. In der einen geht es um die Pathologisierung der Frauenbewegung, in der anderen um Doktor Granvilles geplagten Unterarm. Glaubt man zunächst, „In guten Händen“ mache sich über eine windige Frühform der Psychotherapie lustig, zeigt sich bald, dass es um Größeres geht: Im Abspann zieht die vielgestaltige Erfolgsgeschichte einer elektrischen Erfindung am wissend lächelnden Publikum vorbei.