Ein seit Jahrzehnten glücklich verheiratetes Ehepaar sucht Zuflucht bei einem Hightech-Unternehmen, das für alternde Reiche eine Körper- und Seelentransplantation verspricht. Zwei junge Afrikaner wollen ihm ihre Körper überlassen und dürfen nur nachts für einige Stunden in ihre eigene Haut zurück. Glänzend gespielter, unterkühlt inszenierter Science-Fiction-Film, der seine futuristische Handlung für grundsätzliche Fragen über ewige Jugend und deren Abgründe nutzt und dabei klug die gesellschaftlichen Spannungen zwischen reichem Norden und armem Süden reflektiert.
- Ab 14.
Transfer
Science-Fiction | Deutschland 2010 | 97 Minuten
Regie: Damir Lukacevic
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Schiwago Film/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)/ARTE
- Regie
- Damir Lukacevic
- Buch
- Damir Lukacevic · Gabi Blauert
- Kamera
- Francisco Dominguez
- Musik
- Enis Rotthoff
- Schnitt
- Frank Brummundt
- Darsteller
- Hans-Michael Rehberg (Hermann) · Ingrid Andree (Anna) · B.J. Britt (Apolain) · Regine Nehy (Sarah) · Jeanette Hain (Dr. Menzel)
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- 22.09.2011
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Science-Fiction
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Die Sonne spiegelt sich im blauen Bodensee, hier scheint es den Menschen gut zu gehen. Viele Ältere verbringen in dieser Umgebung einen angenehmen Lebensabend, und so mancher träumt vom ewigen Leben. In einer netten Gartenparty finden die Alten zusammen, viel gebräunte Haut, aber selbstverständlich alles Weiße. Nur eine Ausnahme sticht hervor: ein junger, elegant gekleideter Schwarzer mit seiner schwarzen Frau, der aufmerksam einem älteren Herrn zuhört, mit ihm vertraut zu sein scheint und ihm in perfektem, etwas altklugem Deutsch antwortet.
„Transfer“, der zweite Spielfilm des 1966 in Kroatien geborenen dffb-Absolventen Damir Lukacevic, ist eine Art Science-Fiction-Film um Körpertausch und Seelentransplantation, der ins sonnige Überlingen führt, eine Landschaft, die zum Genre so wenig zu passen scheint wie die Kuckucksuhr ins Raumschiff Orion.
Er handelt von der Sehnsucht nach ewiger Liebe und dem Wunsch, dass die Liebe stärker sei als die Vergänglichkeit der Körper. Hermann und Anna sind seit Jahrzehnten glücklich verheiratet und genießen ihren Lebensabend. Bis Anna plötzlich zusammenbricht und nicht mehr lange zu leben hat. In seiner Verzweiflung sucht das Paar eine ungewöhnliche Lösung: Eine Biotec-Firma bietet für viel Geld einen Persönlichkeitstransfer von einem alten Körper in einen jüngeren. Anna und Herrmann suchen sich zwei neue Körper aus dem Katalog aus und kaufen für eine Million Euro die beiden Afrikaner Apolain und Sarah, selbstverständlich auf freiwilliger Basis, denn das afrikanische Pärchen hat zugestimmt, um seiner Familie in Afrika ein besseres Leben zu ermöglichen. Es ist kein vollständiger Transfer, denn 20 Stunden lang „wohnen“ Anna und Herrmann in den schwarzen Körpern; nur in der Nacht dürfen Apolain und Sarah wieder in ihre Körper zurück.
Der Film beruht auf einer Vorlage der spanischen Schriftstellerin Elia Barceló und verbindet die klassischen Motive der Sehnsucht nach ewiger Jugend und Schönheit mit den dunklen Realitäten der Gegenwart: den Spannungen zwischen Arm und Reich, erster und dritter Welt; die Protagonisten der überalterten Gesellschaft des Nordens befriedigen ihre Bedürfnisse auf Kosten der jungen Menschen in den unterentwickelten Ländern. Der naturwissenschaftlich-medizinische Plot dient dabei lediglich als Katalysator für grundsätzlichere Fragen; denn auch die Schönen und Wohlhabenden werden alt und müssen sterben. Ihre Hoffnung auf ein besseres, ein ewiges Leben ist aus ihrer Perspektive eben auch nur eine Frage des Geldes. Körper wie Seelen sind käuflich, und Afrika ist ein riesiger Markt menschlicher Ressourcen. Doch „Transfer“ will keine soziale Apokalypse sein. Der Film wirft keine politischen Schützengräben auf, mildert alles durch die Abendsonne des Bodensees. Die distanzierte Erzählhaltung regt gleichwohl zum Nachdenken über die Machbarkeit des Undenkbaren ab. Fast beiläufig verbindet der Film vieles, was sich auch in der Bildgestaltung widerspiegelt, die die unterschiedlichen Welten in markante Licht- und Erfahrungsräume fragmentiert: die sterile Kälte von Büros und Laborräumen, das sanfte Sonnenlicht der wohlhabenden Alten, die Neonröhren der wenigen Stunden, in denen sich das schwarze Paar in seinen eigenen Körper bewegen darf. „Transfer“ setzt einen Denkprozess in Gang, wobei die brillanten Darsteller sowie die zurückgenommene Erzählweise emotional nachdrücklich berühren.
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