Dokumentarfilm über drei Frauen um die 30, die in gänzlich verschiedenen Welten durchs Leben schreiten und doch mit vergleichbaren Problemen konfrontiert werden: Sie verdingen sich als Sängerin in Tokyo, als Video-Künstlerin in Havanna oder trainieren Kickboxen in Teheran und versuchen, sich selbstbestimmt einen Weg zwischen Single-Dasein und Ehe-Erwartung freizuschlagen. Dabei entfalten die Einblicke in eine abgeschlossene Gesellschaft sowie ins Leben ihrer sich arrangierenden Jugend große Kraft; die jeweils individuelle Positionierung gegen soziale Widerstände wirkt stets unangestrengt, lebensmutig und selbstverständlich.
- Sehenswert ab 16.
Yume
Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 64 Minuten
Regie: Annkathrin Hausmann
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Filmdaten
- Originaltitel
- YUME
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Kunsthochule für Medien (KHM)
- Regie
- Annkathrin Hausmann · Shirin Saghaie
- Buch
- Annkathrin Hausmann · Shirin Saghaie
- Kamera
- Shirin Saghaie
- Schnitt
- Annkathrin Hausmann
- Länge
- 64 Minuten
- Kinostart
- 28.07.2011
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
Diskussion
Schnellen Schrittes laufen sie über dem überdimensionierten Zebrastreifen aufeinander zu. Kleine Kreise aus pastellfarbenem und durchsichtigem Plastik kreuzen sich unter der statisch montierten Kamera dieses Dokumentarfilm, die sich später so lebendig wackelig und von Hand geführt in das Leben von drei jungen Frauen wühlt. Wie die Träger der Regenschirme schreiten sie parallel und in bunten, ganz unterschiedlichen Welten durchs Leben und werden dabei doch mit den gleichen Problemen konfrontiert.
Sie heißen Tonka, Analía und Ayin, sind um die 30 Jahre alt und verdingen sich als Sängerin auf den Plätzen von Tokyo, als Video-Künstlerin in Havanna oder trainieren Kickboxen in Teheran. Doch so unähnlich ihre Kulturen, so ähnlich ist der Versuch, sich selbstbestimmt einen Weg zwischen Single-Dasein und Ehe-Erwartung freizuschlagen – so frei und so selbst, wie es Kultur und Eltern zulassen. Wie unterschiedlich diese Welten sind, das signalisieren allein schon das Wetter und die Mitmenschen, die sich diesem anpassen.
Wo es Tonka und Analía freigestellt ist, so luftig und aufgedonnert, wie sie wollen, durch japanisches Lichtergewitter und kubanische Hitze zu schreiten, erregt sich Ayin mit ihren Freundinnen über die Sittenwächter in der regnerisch-grauen Betonburg Teherans, deren Übergriffe nicht einmal von der Polizei geahndet werden. Hier sitzen die Frauen auf der Anklagebank aller Seiten. Kritikpunkt kann ein Wadenform- enthüllender Stiefel oder ein Lippenstift sein, die eine freie Entfaltung signalisieren, für die es im großen Land Iran im Gegensatz zur Enge Kubas und Japans keinen Platz zu geben scheint. Es sind diese Einblicke in eine abgeschlossene Gesellschaft und in das Leben ihrer sich arrangierender Jugend, die die größte Kraft in dem immer im Dreiertakt zwischen seinen porträtierten Frauen springenden Film entfalten. Im Voice-Over erzählen die Frauen von ihren Gefühlen, von ihren Plänen und Problemen in den Städten, in denen sie aufgewachsen sind, die ihnen selbst ans Herz wuchsen und dieses doch manchmal erstarren lassen, wenn sich ihre Bewohner gegen sie richten. Beschnitten wird schließlich nicht nur Ayin durch die strikten Vorschriften, wie sich eine Frau zu verhalten hat. Auch in Japan und Kuba reglementieren die Konsequenzen von Planwirtschaft und Turbokapitalismus inmitten kalt schimmernder Neon-Röhren das Leben der jungen Frauen.
Annkathrin Hausmann und Shirin Saghaie werden dabei ästhetisch nie „laut“, nehmen sich zurück und hören lieber genau hin. Ihre Porträts fangen die Tonart und Grundfarben der Städte ebenso schön ein wie die Stimmung ihrer Bewohnerinnen: die Tristesse Teherans, das erst in der Nacht mit den cruisenden und flirtenden, geschlechtlich aber immer noch streng getrennten Autoinsassen aufblüht; die Ruhe und Gelassenheit im vor Hitze stöhnenden und doch bedeckten Havanna, in dem Analía auf ihre Ausreiseerlaubnis hofft, um mit ihrem ausländischen Ehemann fern der Insel ein neues Leben beginnen zu können; und natürlich das mal als abweisend und abgestorben, mal als emotional und lebendig empfundene Lichtermeer Tokyos, in dem Tonka an ihrem Yume, ihrem Traum von der Musikkarriere, hängt und sich dafür neben anderen Mädchen in Schuluniform von männlichen Passanten ablichten lässt.
Besorgnis und Liebe spiegelt sich dann wieder in den Gesichtern der Eltern, die so verständnis- und liebevoll ihre Töchter unterstützen und sich von deren verschobenen Tagesablauf auch gerne mal die Nacht um die Ohren schlagen lassen. Wie enervierend und verunsichernd die Sorgen und das Mosern über den ehelosen Lebensweg der Töchter wirken können, wenn die Kamera wieder weg ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Dagegen spricht auf jeden Fall das Selbstbewusstsein und die Klarheit, mit denen einen alle drei Frauen ebenso wie der sie porträtierende Film durch ihr Leben führen. Derart unangestrengt, lebensmutig und selbstverständlich wirkt die individuelle Positionierung gegen soziale Widerstände, dass diese negative Standortbestimmung internationaler Emanzipationsbewegungen gar nicht mehr so ausweglos erscheint.
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