Drama | Dänemark 2010 | 103 Minuten

Regie: Pernille Fischer Christensen

Eine Galeristin aus wohlhabender Familie plant, mit ihrem Freund nach New York zu ziehen. Als bei ihrem Vater ein Hirntumor diagnostiziert wird und klar ist, dass er bald sterben wird, entscheidet sie sich zu bleiben. Auf Wunsch des Patriarchen soll sie die traditionsreiche Bäckerei der Familie übernehmen, doch dafür müsste sie ihre eigenen Ambitionen opfern. Die Trauer um den geliebten Vater, der Druck, ihn nicht zu enttäuschen, und der Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben stürzen sie in eine Krise. Sensibles Familiendrama, das durch eine präzise Kameraarbeit eine große Nähe zu seinen gut besetzten Figuren herstellt und vielstimmig die Sonnen- und Schattenseiten des sozialen Modells "Familie" abtastet. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EN FAMILIE
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Zentropa Ent.
Regie
Pernille Fischer Christensen
Buch
Kim Fupz Aakeson · Pernille Fischer Christensen
Kamera
Jakob Ihre
Musik
Sebastian Öberg
Schnitt
Janus Billeskov Jansen · Anne Østerud
Darsteller
Jesper Christensen (Rikard) · Lene Maria Christensen (Ditte) · Pilou Asbæk (Peter) · Anne Louise Hassing (Sanne) · Coco Hjardemaal (Line)
Länge
103 Minuten
Kinostart
03.03.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 2.35:1, DD5.1 dän./dt.)
Verleih Blu-ray
Universal (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dän./dt.)
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Diskussion
Die Exposition des neuen Films von Pernille Fischer Christensen („En Soap“, 2006) blättert als liebevolles „Familienalbum“ die Geschichte einer dänischen Familie auf: Die Rheinwalds haben es innerhalb weniger Generationen von armen deutschen Einwanderern bis zu dänischen Hoflieferanten gebracht; ihre Bäckerei steht für Tradition und Qualität – ein Erbe, auf das Ditte Rheinwald merklich stolz ist. Doch dass solch ein Erbe auch eine Bürde ist, erfährt die junge Frau auf schmerzhafte Weise. Noch wird der erfolgreiche Familienbetrieb von Dittes Vater Rikard geleitet. Aber wie soll es mit der Bäckerei in Zukunft weitergehen? Diese Frage stellt sich um so dringlicher, als bei Rikard, der nach einer Krebserkrankung gerade erst aus der Klinik entlassen wurde, erneut ein Tumor gefunden wird – im Gehirn, an einer Stelle, die nicht operiert werden kann. So sehr die Hoffnungslosigkeit dieser Diagnose den Kranken verbittert, so unbedingt ist sein Wunsch, den Familienbetrieb an die nächste Generation weiterzugeben. Doch Ditte, die älteste Tochter, hat mit ihrem Kunststudium und der Arbeit in einer Galerie einen Weg außerhalb der familiären Sphäre eingeschlagen; außerdem plant sie, zusammen mit ihrem Freund nach New York überzusiedeln. Ihre jüngere Schwester kommt für den Vater als neue Geschäftsführerin noch nicht einmal in Frage; die Kinder, die er zusammen mit seiner zweiten Lebenspartnerin in der Rheinwald-Villa groß zieht, sind noch zu jung, um das Erbe anzutreten. Rikard beginnt, Ditte mit Liebesentzug unter Druck zu setzen. Schwankend zwischen der Liebe zum Vater, der Loyalität gegenüber der Familie und den eigenen Ambitionen stürzt die junge Frau in ein Dilemma, das sich verschärft, je schlechter Rikards Gesundheitszustand wird. Pernille Fischer Christensen stellt eine große Nähe zu den Figuren her: Die Kamera ist in nahen Einstellungen an den Gesichtern dran; meistens werden die Protagonisten zugleich in Beziehung zueinander gesetzt. Wenn man einer Figur ins Gesicht sieht, ist oft auf einer Bildseite im Anschnitt auch noch der Hinterkopf oder das Profil ihres Gegenübers zu sehen; selten werden die Figuren im Bild isoliert. Es geht um Menschen, die sich sehr nahe stehen – und zwischen denen deswegen besondere Verletzungsgefahr besteht. Die große Emotionalität, die diese intime Kameraarbeit evoziert, balanciert die Regisseurin dadurch aus, dass sie weitgehend auf Musik verzichtet. Umso wichtiger wird das Spiel der überzeugenden Darsteller: Ihre Gesichter, ihr Reden, aber auch ihr Schweigen transportieren die innere Tour de Force, zu der das Leiden des Patriarchen für die ganze Familie wird. Ohne wie Vinterbergs „Das Fest“ (fd 33 486) ins Pathologische auszuarten, werden die Schattenseiten des Familienbands sichtbar. Mit Ditte porträtiert der Film eine moderne Frau, die offensichtlich unter besten materiellen Voraussetzungen in ein Leben gestartet ist, in dem ihr alle Türen offen zu stehen scheinen. Erwachsenwerden heißt aber auch, sich für bestimmte Türen zu entscheiden und andere zu schließen – was für die erfolgreiche Ditte mit der Erfahrung von Schuld einher geht: Kaum hat sie sich mit ihrem Freund entschlossen, eine Schwangerschaft abzubrechen, um den Traum von der Karriere in New York verwirklichen zu können, stellt sich ihr die Frage, ob sie nach ihrem Kind nun doch auch diesen Traum opfern soll, um das zu erfüllen, was ihr Vater als ihre Pflicht gegenüber der Familie betrachtet. Dabei geht es Fischer Christensen nicht darum, moralische Wertungen über den Zwiespalt von Selbstverwirklichung und Familiensolidarität abzugeben, sondern um eine empathische Begleitung ihrer Protagonistin. Gleichzeitig wirft die Regisseurin präzise Streiflichter auf die anderen Figuren: Die zweite Frau Rikards, die dieser nach vielen gemeinsamen Jahren doch noch heiratet, beginnt sich während der Krankheit von ihrem dominanten älteren Mann zu emanzipieren; die jüngeren Töchter müssen sich mit der Missachtung durch ihren Vater, der auf Ditte als „Stammhalterin“ und allenfalls noch auf seinen kleinen Sohn fokussiert ist, auseinander setzen. Rikard selbst begegnet der Aussicht auf den nahen Tod mit einer Wut, die sich ein ums andere Mal auf die Frauen in seinem Umfeld entlädt: Den Kontrollverlust, die Erkenntnis, einem Geschehen ausgesetzt zu sein, das er nicht mit seinem Willen dirigieren kann, will der starke Mann nicht akzeptieren. Fischer Christensen macht daraus ein vielstimmiges Drama, das keine der Figuren diffamiert; selbst Rikards schwierigem Charakter entzieht der Film weder Mitgefühl noch Respekt. Einmal mehr erweist sich die Regisseurin als sensible Gestalterin eines Melodrams, das ohne Kitsch und falsche Töne das fragile soziale Gebilde „Familie“ auf seine Tauglichkeit innerhalb der westlichen Gesellschaft abtastet.
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