Filmisches Porträt des Malers Otto Modersohn (1865-1943), der mit seinen Landschaftsbildern und als Mitglied der Künstlerkolonie Worpswede bekannt wurde. In der entschleunigten Montage von Archivmaterialien und unterstützt durch Off-Texte aus Tagebuchaufzeichnungen Modersohns, seiner Frau Paula Modersohn-Becker sowie deren Freund Rainer Maria Rilke entsteht ein eindringliches Bild von Leben und Werk des Künstlers sowie seiner Epoche.
- Sehenswert ab 14.
So weit und so groß - Die Natur des Otto Modersohn
Dokumentarfilm | Deutschland 2010 | 76 Minuten
Regie: Carlo Modersohn
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- cm Film
- Regie
- Carlo Modersohn
- Buch
- Marina Bohlmann-Modersohn
- Kamera
- Carlo Modersohn
- Musik
- Therese Strasser
- Schnitt
- Carlo Modersohn
- Länge
- 76 Minuten
- Kinostart
- 03.02.2011
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb
Heimkino
Diskussion
Was für eine Wohltat: Ein Dokumentarfilm, der sich ganz auf sein Sujet, die 78 Jahre umfassende Lebensgeschichte des Landschaftsmalers Otto Modersohn, konzentriert und auf den üblichen Köpfe-Reigen aus Experten, Sammlern und Familiennachkommen verzichtet. Nachgestellte Realszenen fehlen gänzlich, dafür glänzt die Inszenierung durch eine großzügige Verwendung historischen Archivmaterials. Dazu zählen Filme und Fotografien, welche die Epoche um 1900 überaus sinnlich einfangen, aber auch Reproduktionen von Gemälden, Zeichnungen und Schriftdokumenten. Die eingesprochenen Texte geben Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Texte von Modersohn, seiner zweiten Frau Paula Modersohn-Becker sowie ihres Freundes Rainer Maria Rilke wieder, umrahmt von einem Erzähler, für dessen Stimme Hanns Zischler gewonnen wurde. Dessen Ausführungen kreisen in chronologischen Etappen um biografische Abschnitte sowie um das künstlerische Verständnis des Mitbegründers der Künstlerkolonie Worpswede, der sich als Akademiestudent gegen die strengen Vorschriften der Professoren auflehnte, den konservativen Lehren seiner Ausbilder in Düsseldorf widersprach und das Studium der Natur in einer ländlichen Umgebung vorzog. In Anlehnung an die französischen Impressionisten verdankte Modersohn seine Kreativität der direkten Versenkung in die Natur; er beschrieb seine Ideale mit Begriffen wie Einfachheit, Intimität und Innerlichkeit. Angenähert hat er sich ihnen in der Landschaft des norddeutschen Teufelsmoores in der Nähe von Bremen, wo er 1889 mit Gleichgesinnten eine Künstlerkolonie gründete. Als „so weit und so groß“ beschrieb er die ebenso idyllische wie eigenwillige Landschaft, die er in unzähligen Bildern in allen Facetten verewigte.
Ausgerechnet der Erfolg störte bald die Harmonie, und nach einer Gruppenausstellung trat Modersohn 1899 aus der in Mode gekommenen Künstlervereinigung Worpswede aus. Es folgte eine fruchtbare Zeit mit der Malerin Paula Modersohn-Becker, die jedoch immer wieder aus der ländlichen Enge nach Paris ausbrach, um sich in der Kunstmetropole mit aktuellen Strömungen vertraut zu machen. „Wie ich ihr von dem Intimen geben kann – so sie mir vom Großen, Freien, Lapidaren“, notierte der überaus tolerante und von der Lebensreformbewegung um 1900 beeinflusste Modersohn in seinen Tagebuchaufzeichnungen. Fortwährende Geldsorgen ließen die um einen modernen, die Avantgarden vorwegnehmenden künstlerischen Ausdruck ringende Frau erschöpft zu ihm zurückkehren, wo sie 31-jährig nach der Geburt der gemeinsamen Tochter verstarb. Nicht nur zu Lebzeiten hatte Modersohn-Becker es schwer, anerkannt zu werden. Nach einer kurzen Phase der Wiederentdeckung verdammten sie die Nazis im Gegensatz zum hofierten Modersohn in den Orkus der „Entarteten Kunst“. Nach ihrem frühem Tod 1907 ließ Modersohn Worpswede hinter sich und zog in das benachbarte Dorf Fischerhude. Er verteidigte in der Streitschrift „Im Kampf um die Kunst“ die von rechts gesinnten Museumsvertretern angefeindete französischer Malerei und begegnete seiner dritten Ehefrau Louise Breling. Mit ihr zog er 1930 in ein altes Bauernhaus im Allgäu, kehrte aber regelmäßig nach Fischerhude zurück, wo er seinem Ziel, die Überwindung der Natur und das Dahinströmen vergeistigter Farben auf der Fläche zu erreichen, im Spätwerk am nächsten kam.
Vielleicht ist die erfreuliche Klarheit, mit der „So weit und so groß“ sein Porträt entwirft, gerade dem Umstand geschuldet, dass die Regie auf das Konto des Urenkels Carlo Modersohn geht. Für ein Familienprojekt – Auftraggeberin ist seine Tante, Antje Modersohn, die das privat geführte Otto-Modersohn-Museum in Fischerhude leitet – erstaunlich sachlich und fern jeder subjektiv-hymnischen Verherrlichung, nähert er sich seinem Vorfahren als Teil einer innovativen Bewegung. Deren bis heute nachwirkende Ideen laden entlang des eindringlichen Bildmaterials und einer angenehm entschleunigten Montage zu einer Zeitreise an Orte, Stimmungen und Landschaften ein, die ihr nostalgisches Versprechen längst eingebüßt haben.
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