Der Film hat längst begonnen, doch die Leinwand ist immer noch schwarz; eine Lichtquelle ist nicht auszumachen. Einzig das schwere Atmen eines Mannes, der – so muss man annehmen – langsam zu sich kommt, und ein gelegentliches dumpfes Rumpeln sind zu hören. Plötzlich ist der Mann hellwach. Panisch erkundet er seine Umgebung. Bis er erschreckt feststellt, dass er in einer Holzkiste gefangen ist, die nur geringfügig größer als ein Sarg ist. Das Klicken eines Feuerzeugs ist zu hören, mehrmals. Endlich spendet eine unruhige, gelbe Flamme ein wenig Licht. Nun gibt es keinen Zweifel mehr: Hier ist jemand bei lebendigem Leib begraben worden.
Die Vorstellung, lebendig begraben zu sein, spielt mit einer Urangst, mit der schon Edgar Allan Poe in seiner berühmten Erzählung „Premature Burial“ klaustrophobischen Grusel verbreitete. Roger Corman diente sie als Vorlage zu seinem gleichnamigen Horrorfilm (1961), später griff George Sluizer das Thema mit seinem Thriller „Spurlos verschwunden“ (1988) auf, den er als Hollywood-Remake „Spurlos“
(fd 30 275) persönlich ein zweites Mal aufgriff. Sich bewegen zu können, aber keinen Raum zu haben, schreien zu können, aber nicht gehört zu werden, zu leben, aber unauffindbar zu sein – das ist auch die beklemmende Prämisse dieses Films, der von Chris Sparling geschrieben und von Rodrigo Cortés inszeniert wurde und mit Motiven aus Joel Schumachers „Nicht auflegen!“
(fd 36 071) und David R. Ellis’ „Final Call“
(fd 36 091) angereichert ist. Erst später erfährt man, dass der Begrabene Paul Conroy heißt und als Lastwagenfahrer für eine private US-Firma im Irak arbeitet. Conroy findet ein Handy mit fast leerem Akku, das zusätzlich Licht spendet. Doch wen ruft man an, wenn man irgendwo in einem fremden Land begraben ist? Wie erklärt man einigermaßen glaubwürdig seine Situation? Conroy wählt erst den Notruf seiner Heimatstadt, dann ruft er das Pentagon an, das Büro seines Arbeitgebers, schließlich seine Frau, die nicht zu Hause ist. Zwischendurch melden sich auch seine Entführer und stellen rigorose Forderungen. Einmal gerät er in eine Warteschleife – einer der wenigen Momente pechschwarzen Humors, der darum umso überraschender kommt. Doch der Sauerstoff im Sarg wird immer knapper.
„Buried“ verlässt seinen Schauplatz nicht. Die Inszenierung hält strickt die Einheit von Raum und Zeit ein. Nie erliegt der Film der Versuchung, die anderen Gesprächsteilnehmer zu zeigen oder in Rückblenden die Vorgeschichte aufzufächern. Andere Schauspieler des Films können ihren Figuren nur über die Stimmgestaltung Profil verleihen. Zweifel, Dummheit, Bestimmtheit, Wut und Trauer ist aus den Gesprächen herauszuhören. Trotz fehlender visueller Informationen macht man sich ein Bild vom Menschen am anderen Ende der Leitung. Die Hauptlast des Films trägt allerdings Hauptdarsteller Ryan Reynolds. Es ist bewundernswert, wie er mit den vom Drehbuch auferlegten Zwängen und Einschränkungen das Interesse an seiner Figur wach hält und sogar das Gefühl von Action vermittelt. Reynolds hantiert mit dem Feuerzeug, versucht seinen Körper zu drehen und so das Ausmaß seiner Lage zu erkunden, spricht am Telefon mal vernünftig und sachlich, dann wieder verzweifelt und verbittert. Die Kamera zeigt ihn dabei in extremen Nahaufnahmen, die Sequenzeinstellungen dauern mitunter mehrere Minuten. Der Zuschauer wird so förmlich hineingezogen in diese extreme Momentaufnahme und scheint das Leid der Hauptfigur buchstäblich zu teilen. Nur ein einziges Mal fährt die Kamera zurück, immer weiter, aus dem hölzernen Gefängnis heraus in eine undefinierbare Dunkelheit: ein einzelner Mensch, verloren im endlosen Raum – die Lage ist aussichtslos.