Eine Karawane schwitzender Touristen nähert sich der großen Pyramide von Gizeh, als plötzlich ein übermütiger Junge seinen Eltern entwischt und zum Entsetzen der einheimischen Sicherheitsleute das eingerüstete Weltwunder erstürmt. Er saust das Baugerüst hinauf, bringt es sogleich zu Fall – und landet sanft in dem Luftkissen, das eigentlich die Cheops-Pyramide sein sollte. Hoppla, wurden wir von den Ägyptern etwa mehrere tausend Jahre übers Ohr gehauen? Nein, ein Superschurke hat die echte Pyramide gestohlen und dafür den aufblasbaren Ersatz zurückgelassen. Diese Schandtat ist ganz nach dem Geschmack von Gru, dem liebenswürdig-fiesen Helden des Animationsfilms „Ich – Einfach unverbesserlich 3D“. Das einzige, was ihn am Cheops-Coup stört, ist die Tatsache, dass er ihm nicht selbst eingefallen ist. Schon wieder hat ihm ein anderer Superschurke die Show gestohlen! Obwohl fest zum Finstersten entschlossen, musste sich Gru bislang mit kleinen Gaunereien begnügen. Er ist mehr ein technisch hochgerüsteter Griesgram von nebenan, der sich mittels eines Gefrierstrahls an Warteschlangen vorbeimogelt, die Luftballons von Kindern zum Platzen bringt und mit seinem gigantischen Gefährt lustvoll die Luft verpestet. Daheim erwarten den Hagestolz ein schwerhöriger Chefingenieur sowie ein Arbeitsheer gelber Minions. Das sind drollige Wesen, die am ehesten übergroßen Arzneimittelkapseln ähneln, mit treu-doofem Gejauchze an Wunderwaffen basteln und ansonsten ständig was zu Kichern haben. Gemeinsam greifen sie jetzt nach den Sternen: Gru will den Mond vom Himmel stehlen und damit endlich den ersten Platz der Schurkenrangliste erobern.
Im Original heißt dieser großartige Trickfilm „Despicable Me“, was recht frei übersetzt so viel wie „Ach, was bin ich ein gemeiner Schlingel“ bedeutet. Die Produktionsfirma Illumination Entertainment gibt mit ihm ein glänzendes Debüt und besetzt mit sicherem Blick eine Marktlücke: Zwar gehören Finsterlinge zum Animationsfilm wie der böse Wolf zum Märchen, doch selten werden sie zu Hauptdarstellern befördert. „Shrek“ war ein eher halbherziger Versuch, die zum Branchengesetz gewordene Disney-Dramaturgie zu brechen. Dagegen kommen die Regisseure Chris Renaud und Pierre Coffin der hinterhältigen Fantasie des klassischen Trickfilm-Cartoons so nahe, wie es im Mainstream-Kino gerade noch möglich ist. Besonders unter den beliebtesten Trickfiguren herrscht hier das evolutionäre Gesetz des Schlaueren; von Bugs Bunny bis Homer Simpson schenken sich die Helden in Sachen Slapstick-Bösartigkeit nichts. Auch für Gru ist das Leben ein ewiger Kampf. Erst sperrt ihm die Evil Bank die Kreditlinie, und dann schnappt ihm ein Superschurkenschnösel den zum Mondklau dringend benötigten Schrumpfstrahler vor der Nase weg. Um doch noch an das Gerät heranzukommen, braucht Gru die Mithilfe dreier Kekse verkaufender Waisenkinder. Also setzt er sein sonnigstes Kirchgangsgesicht auf, adoptiert das widerspenstige Mädchentrio – und wird im Lauf der folgenden Abenteuer selbstverständlich zum liebenden Familienoberhaupt. Diese Wendung ist kein Verrat an den Cartoons: Auch Tom & Jerry sind ja nicht böse, sondern folgen nur ihrer Natur, und die ist, zumal in einem Kinderfilm, bei menschlichen Trickfiguren im Herzen immer gut. „Ich – Einfach unverbesserlich 3D“ macht sich weder mit neunmalklugen Anspielungen wichtig noch wollen die Regisseure einem die Welt erklären. Renaud und Coffin haben stattdessen einen kleinen Kosmos für sich entworfen, in dem sich zwei im Grunde ziemlich trottelige Schurken nach Herzenslust bekriegen dürfen und Kinder das tun, was sie am besten können, nämlich Erwachsene zu deren eigenem Besten an den Rand des Wahnsinns treiben. Überhaupt können Kinder und Erwachsene hier endlich wieder gemeinsam lachen, weil die meisten Gags auf einer Ebene funktionieren, die alle Altersklassen unterhält. Auch für Subtext ist gesorgt, was einem sogar die durch einen Hörfehler angestoßene Erfindung der Furzkanone versüßt.