Ein Mann, der im Rahmen des Nordirlandkonflikts als Anhänger der protestantischen Ulster Volunteer Force einen Katholiken tötete und dafür eine langjährige Haftstrafe verbüßte, soll bei einer Fernsehsendung mit dem jüngeren Bruder seines Opfers konfrontiert werden. Während der reuige Mörder damit ein Zeichen der Versöhnung setzen will, sinnt sein Kontrahent auf Rache. Polit-Thriller, dessen nicht gerade subtile Spannungs- und Actionelemente irritieren, weil sie dem politischen Anspruch des Stoffs zuwiderlaufen; als dramaturgische Spiegelungen der Faszination an Gewalt hat die reißerische Herangehensweise durchaus ihre Berechtigung.
- Ab 16.
Five Minutes of Heaven
- | Großbritannien 2009 | 89 Minuten
Regie: Oliver Hirschbiegel
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Filmdaten
- Originaltitel
- FIVE MINUTES OF HEAVEN
- Produktionsland
- Großbritannien
- Produktionsjahr
- 2009
- Produktionsfirma
- Big Fish Films/Element Pic./Ruby Films
- Regie
- Oliver Hirschbiegel
- Buch
- Guy Hibbert
- Kamera
- Ruairi O'Brien
- Musik
- David Holmes
- Schnitt
- Hans Funck
- Darsteller
- Liam Neeson (Alistair Little) · James Nesbitt (Joe Griffen) · Anamaria Marinca (Vika) · Niamh Cusack (Alistairs Mutter) · Mark Davison (junger Alistair)
- Länge
- 89 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
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Heimkino
Diskussion
„Truth and Reconciliation“, „Wahrheit und Aussöhnung“, lautet die Vorgabe für ein Fernseh-Zwiegespräch, für das zwei Männer in einem pittoresken irischen Schloss zusammengeführt werden sollen. Sie stehen für die gegnerischen Parteien des Nordirland-Konflikts und werden bis zum unmittelbaren Beginn der Aufzeichnung voneinander abgeschirmt. Aus guten Gründen: Beide sind schwer traumatisiert. Vor über 30 Jahren hat der eine, der Protestant Alistair Little, den Bruder des anderen erschossen. Während Little, der zwölf Jahre im Gefängnis für seine Tat gebüßt hat, mit seiner Teilnahme an der Fernsehsendung ein positives Zeichen setzen will, sinnt der Katholik Joe Griffin heimlich auf Rache. An jenem Schicksalstag im Jahr 1975 wurde der damals elfjährige Joe Augenzeuge der Ermordung seines älteren Bruders. Griffin verbirgt ein Messer im Jackett, während er sich in typischer Reality-TV-Manier auf der Treppe beim schweren Gang zum Mörder seines Bruders filmen lässt. Heimlich aber fiebert Griffin dem Moment entgegen, in dem er den Täter niederstrecken und die „fünf himmlischen Minuten“ erleben darf, in denen er seine Sühnetat auskostet.
Anders als bei Paul Greengrass’ aufreibend-intensivem Dokumentarspiel „Bloody Sunday“ (fd 38 982) – in dem James Nesbitt übrigens einen protestantischen Politiker spielte – ist die Story von „Five Minutes of Heaven“ zu zwei Dritteln fiktiv. Bemerkenswert allerdings, wie Autor Guy Hibbert die erfundenen Anteile aus dem realen Ausgangsmaterial entwickelt: Die Hinrichtung des jungen Katholiken durch ein 17-jähriges Mitglied der protestantischen Ulster Volunteer Force (UVF) hat sich tatsächlich zugetragen. Auf Wunsch von Griffin und Little wurden für den Film nicht einmal ihre Namen geändert, obwohl es das Fernsehprojekt nie gegeben hat. Hibbert nutzt also den historischen Ausgangspunkt und die realen Figuren – sie sind sich vom Tatzeitpunkt bis heute nicht mehr begegnet – zu einer Art filmischer Versuchsanordnung. Es werden die Möglichkeiten ausgelotet, einen über Generationen schwelenden Konflikt zu beenden, indem er auf die private Ebene herunter gebrochen wird. Dass eine inszenierte Fernseh-Versöhnung keine adäquate Lösung sein kann, führt der Film ebenso deutlich vor Augen wie die Tatsache, dass in der wohlfeilen Geste schon wieder der nächste Zündstoff verborgen sein kann. Wie ist der Teufelskreis von Gewalt und Vergeltung – der in Nordirland immer noch neue Runden zu drehen scheint – zu unterbrechen? Eine der Antworten, die der Film nahelegt: Racheverzicht aus purem Eigennutz.
Regisseur Oliver Hirschbiegel hat mit seinem Führerbunkerdrama „Der Untergang“ (fd 36 679) bewiesen, dass er der Letzte wäre, der einen dankbaren Stoff durch nachlässige Inszenierung verschenkte. Der dreiaktige Film beginnt mit einer ausgedehnten Rückblende, die in minutiösen Details die stumpfe Gewaltbereitschaft des 17-jährigen Alistair Little schildert, die Pulverfass-Atmosphäre im nordirischen Kaff Lurgan, patrouillierende britische Panzer, eine kleine Gruppe junger naiver Attentäter zwischen Machismo und Muffensausen sowie einen Jungen, der schließlich fassungslos die Leiche seines Bruders anstarrt. Das ist bloß der Ausgangspunkt der persönlichen Tragödie von Joe Griffin, dessen ganze Familie bald durch den Mord zerstört ist. Vor diesem Hintergrund bekommt das Wort „Reconciliation“ einen geradezu zynischen Beigeschmack. Im Mittelteil, der die Anfahrt und die Vorbereitung der Männer auf die Fernsehsendung schildert, hält Hirschbiegel die Spannung teils unter Einsatz grober Effekte (dazu gehört die Suspense-Szene mit dem versteckten Messer, ein Attentatsversuch, der durch einen stolpernden Kameramann unwissentlich vereitelt wird). Zudem neigt James Nesbitt mit übertriebener Mimik zum Überziehen seiner Rolle, während Liam Neeson den wächsernen, von tiefer Schuld gedrückten Ex-Täter mit sparsamen Mitteln und großer Würde spielt. Den etwas künstlichen Charakter des reuigen Sünders, der nach dem rechten Weg sucht, sein einstiges Handeln zu erklären und wie ein Therapeut neben der eigenen Selbsterhaltung immer auch das Wohl des Kontrahenten im Auge hat, nimmt man Neeson durchweg ab. Dazu macht seine Darstellungskunst einiges an Äußerlichkeiten wett, die aufs Konto des Regisseurs und manchmal auch des Drehbuchautors gehen. Im dritten Akt baut Hirschbiegel so etwas wie High-Noon-Stimmung auf: Auch hier scheinen sich reißerisches Kino und politischer Anspruch zu beißen. Andererseits spiegeln solche Action- und Suspense-Elemente durchaus das Rachebedürfnis, das Joe Griffins Wahrnehmung beherrscht – eine Tunnelperspektive, die auf den Reflexionsebenen des Films (vor allem während Littles inneren Monologen) immer wieder konterkariert und mit der finalen Wendung ad absurdum geführt wird. Mit einem allzu subtilen Vorgehen hätten Hibbert und Hirschbiegel ihr Thema womöglich sogar verfehlt – schließlich erzählt „Five Minutes of Heaven“ von der zyklischen Natur der Gewalt; insofern spricht einiges dafür, den Thrill und die Faszination, die brachiale Lösungen ausstrahlen, in die Dramaturgie einzubeziehen. Immerhin wirkt der Film weit länger nach als fünf Minuten.
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