Wenn man sich die Masse der in den letzten Jahren produzierten Filme über bedrohte Tierarten anschaut, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass die Zahl der Dokumentationen die der noch lebenden Vertreter mancher Spezies inzwischen übersteigt. Mit „Unsere Ozeane“ liefern Jacques Perrin und Jacques Cluzaud nach „Nomaden der Lüfte“
(fd 35 329) und „Mikrokosmos“
(fd 32 194) nun so etwas wie den Rolls-Royce der Meeresdokumentationen. Mehr als vier Jahre lang ließen sie eine Heerschar von Kameraleuten rund um den Globus nie gesehene Unterwasserwelten ins Bild setzen. Das Ergebnis des Großunternehmens ist über weite Strecken schlicht atemberaubend. Selbst wenn man Wale und Delphine schon oft auf der Leinwand bestaunt hat: so nahe wie hier ist man ihnen noch nie gekommen. Ein gigantischer Buckelwall scheint unvermittelt unter einem hindurch zu schwimmen, mit irrwitzigem Tempo durch die Wellen pflügende Delphine kann man minutenlang praktisch auf Augenhöhe begleiten. Um der Natur derart dicht auf den Leib rücken zu können, ließen die Filmemacher ein ganzes Arsenal an Hightech-Kameras und sonstigen Hilfsmitteln entwickeln. Gleichwohl sitzt man bei vielen Sequenzen nur staunend im Kinosessel und fragt: „Wie haben die das nur gemacht?“ Denn hinsichtlich der Auswahl ihrer Protagonisten beschränken sich die Regisseure keineswegs nur auf die populären Meeressäuger. Die Bandbreite der mit der Kamera eingefangenen Unterwasser-Fauna spart auch Kleinstlebewesen der Tiefsee nicht aus, die mehr als beeindruckend sind. Wenn am Meeresboden zwei riesige Armeen von Krabben (oder sind es Krebse?) zusammen treffen und übereinander hinweg krabbeln, wähnt man sich unwillkürlich in einem prähistorischen Schlachtenspektakel. Hinzu kommt, dass der Film durch zahllose Atem- oder Kratzgeräusche der verschiedenen Kreaturen mit der Vorstellung aufräumt, unter Wasser ginge es weitgehend still zu. Dennoch wird die Natur weniger dokumentiert als vielmehr zu emotionalisierender Musik ebenso hemmungslos wie virtuos ästhetisiert und inszeniert. Da sich weder einzelne Lebewesen noch die 54 Drehorte (etwa durch Kommentare oder Inserts) identifizieren lassen, ist diese Wassersymphonie primär eine einzige schwelgerische Hymne an die Ozeane. Da es nicht zuletzt auch darum geht, die Bedrohung dieser fantastischen Welt anzuprangern, sieht man ab der Mitte des Films auch andere Bilder, etwas das einer hilflos inmitten von Plastikmüll im Hafenbecken herumirrenden Robbe. Doch dieser ökologische Impetus wirkt, da er weder Ursachen noch Lösungsansätze thematisiert, letztlich ebenso aufgesetzt wie jene wenigen Sequenzen, in denen ein älterer Mann mit einem kleinen Jungen staunend am Strand steht oder in einem Museum Exponate ausgestorbener Arten betrachtet. Letztlich ist „Unsere Ozeane“ deshalb ein Film mit absolut spektakulären Schauwerten, aber einer sehr schlichten Konzeption.