Can Go Through Skin

- | Niederlande 2009 | 94 Minuten

Regie: Esther Rots

Eine junge Frau wird von ihrem Geliebten verlassen und kurz darauf auch noch das Opfer eines brutalen Überfalls. Traumatisiert flieht sie aufs Land und versucht einen radikalen Neuanfang. Psychologisches Drama, das die schwankende seelische Verfassung der Hauptfigur in ihrem Ringen mit Angst und Ohnmachtsgefühlen fast körperlich nachvollziehbar macht. Der Versuch, Innen- und Außerwahrnehmung ineinander fließen zu lassen, gerät mitunter zwar allzu zeichenhaft, schmälert allerdings kaum das intensive Porträt. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KAN DOOR HUID HEEN
Produktionsland
Niederlande
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Rots Filmwerk/NF1 Prod./NPS
Regie
Esther Rots
Buch
Esther Rots
Kamera
Lennert Hillege
Musik
Dan Geesin
Schnitt
Esther Rots
Darsteller
Rifka Lodeizen (Marieke) · Wim Opbrouck (John) · Chris Borowski (Pizzamann) · Elisabeth van Nimwegen (Siska) · Tina de Bruin (Aniek)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Die Haut als spürbare Zone zwischen Innen und Außen, zwischen Körper und Außenwelt, ist nur eine von vielen Grenzlinien, die dieser Film beschreibt. Andere sind schwerer zu fassen oder vermischen sich, wie die zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein oder Realität und Fantasie. Der Debütfilm der niederländischen Regisseurin Esther Rots interessiert sich vor allem für die Grauzonen dieser Grenzverläufe, für die Stellen, wo Innen und Außen ineinander fallen und ununterscheidbar werden. Konsequenterweise versucht die Inszenierung, auch die Trennung zwischen Zuschauer und Figur ein Stück weit aufzulösen, indem sie die Betrachterperspektive in die Hauptfigur verlegt, also buchstäblich unter ihre Haut schlüpft und ihre Erlebnisse subjektiv erfahrbar macht. Im „Normalzustand“ lernt man Marieke, eine eher robust wirkende Frau Anfang Dreißig, nie kennen. Schon in der ersten Szene des Films ist sie aufgelöst und auf eine verzweifelte Art überdreht, ihr Freund hat sie gerade verlassen. Doch die emotionale Katastrophe wird wenig später durch ein folgenschweres, traumatisches Ereignis in den Schatten gestellt; von einem Pizzalieferanten wird sie in der eigenen Wohnung brutal überfallen und in der Badewanne fast ertränkt. Marieke verlässt daraufhin ihre Stadtwohnung in Amsterdam und kauft ein altes, renovierungsbedürftiges Haus auf dem Land. Sie ist fest entschlossen, den verlorenen Boden zurück zu gewinnen und weigert sich trotzig, die Opferrolle anzunehmen, auch wenn Angst und Paranoia von ihr Besitz ergreifen und die Erinnerungen sie immer wieder einholen. Manische Arbeitsanfälle wechseln mit Lethargie, auf Offenheit folgt Abwehr. So sucht sie in einem Moment den Kontakt zu ihrem hilfsbereiten Nachbarn John, doch im nächsten betrachtet sie ihn als Eindringling und stößt ihn zurück. Auf diese Weise schneidet sie den Kontakt zur Außenwelt immer mehr ab, sie verbarrikadiert sich, führt Dialoge mit sich selbst und beschränkt ihre Kommunikation im Wesentlichen auf einen Chatroom, wo sie sich mit anderen Opfern austauscht. Außerdem sucht sie Zuflucht in Rachefantasien, die immer konkretere Gestalt annehmen. Das Haus wird in diesem symbolisch etwas überfrachteten Film zur Metapher für Mariekes fragile Psyche, eine zweite Haut, die mal Schutz bietet, dann aber durchlässig ist für Bedrohungen von Außen. Wenn sie anfangs übereifrig Tapeten herunterreißt, vermag ihr dies nur kurzfristig ein Gefühl von Erneuerung und vom Abstreifen belastender Erinnerungen zu suggerieren; im nächsten Moment zuckt sie erschrocken zusammen, wenn es an der Tür klingelt, und sie versteckt sich. „Can Go Through Skin“ ist ein ungemütlicher Film; man spürt die klirrende Kälte in diesem Haus, das abweisend und unwirtlich wirkt, und man spürt geradezu körperlich, wie unwohl sich Marieke in ihrer eigenen Haut fühlt. In manchen Momenten überspannt das psychologische Drama sein ambitioniertes Bemühen, das Innenleben der Hauptfigur sichtbar zu machen; vieles wirkt allzu erklärend (das ausgefeilte Sounddesign etwa), zeichenhaft, symbolisch. Natürlich ist es eine dramaturgische Herausforderung, den Zuschauer die meiste Zeit über mit einer einzigen Figur zu konfrontieren, die als Gegenüber nur sich selbst und ihre inneren Dämonen hat. Doch tatsächlich erzählen die Bilder, die Marieke aus einer objektiven Erzählerposition zeigen, also die Grenze zwischen Innen und Außen wahren, doch mehr über sie – wenn sie etwa zum Schlafen in einen verborgenen Küchenschrank kriecht – als beispielsweise demonstrative Dialoge, die sie mit ihrem ungeborenen Kind oder ihrem Peiniger führt. Oder wenn mittels hektischer Handkamera und sprunghafter Montage versucht wird, innere Aufgelöstheit zu illustrieren. Rots’ Film ist dennoch ein intensives Porträt einer Frau, die sich mit aller Kraft gegen die innere Ohnmacht wehrt und ihre Opferrolle in eine autonome, machtvolle Position umzuwandeln versucht. Wenn Marieke, in eine Decke gehüllt, nachts vor ihrem Laptop kauert und chattet, öffnet sich ihr plötzlich ein ebenso anonymer wie Privatheit suggerierender Raum, in dem sie einmal nicht Außenstehende, sondern Teil einer Gemeinschaft ist, so leidgeprüft diese auch sein mag. Für die Protagonistin liegt die Anziehung des virtuellen Raums wohl auch in seiner Grenzenlosigkeit; hier kann sie aussprechen, was sie sich öffentlich verbietet. Außerdem ist mit diesem Raum keine körperliche Erfahrung verbunden: Hier gibt es keine Haut.
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