In meinem Himmel

Drama | USA/Großbritannien/Neuseeland 2009 | 136 Minuten

Regie: Peter Jackson

Eine 14-Jährige wird vergewaltigt und ermordet. Während ihr Tod in ihrer Familie zu heftigen Verwerfungen führt, beobachtet die Tote von einer surreal-jenseitigen Zwischenwelt aus, was bei den Hinterbliebenen auf der Erde passiert. Diese stürzt der Mord in eine tiefe Krise und bringt sie außerdem in Lebensgefahr, als Vater und Schwester auf eigene Faust dem Mörder auf die Spur kommen. Mischung aus Familiendrama und Mystery-Thriller, die in den ans Thriller-Genre angelehnten Passagen überzeugt, während sie am Umgang mit dem Tod und der klischeebelasteten, zwischen Kitsch und Surrealismus angesiedelten Darstellung der jenseitigen Welt scheitert. - Ab 14 möglich.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE LOVELY BONES
Produktionsland
USA/Großbritannien/Neuseeland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
WingNut Films/DreamWorks SKG/Key Creatives
Regie
Peter Jackson
Buch
Fran Walsh · Philippa Boyens · Peter Jackson
Kamera
Andrew Lesnie
Musik
Brian Eno
Schnitt
Jabez Olssen
Darsteller
Mark Wahlberg (Jack Salmon) · Rachel Weisz (Abigail Salmon) · Susan Sarandon (Großmuter Lynn) · Stanley Tucci (George Harvey) · Michael Imperioli (Ken Fenerman)
Länge
136 Minuten
Kinostart
18.02.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die DVD enthält keine erwähnenswerten Extras. Die Leih-BD enthält zumindest eine Audiodeskription für Sehbehinderte, allerdings nur in englischer Sprache. Die BD (2 Disk Special Edition) enthält indes zudem die bemerkenswerte Dokumentation zum Film: "Das Filmen von: In meinem Himmel" (177 Min.); eine Art Produktionstagebuch, das keine Fragen offen lässt. Nur die BD Special Edition ist mit dem Silberling 2010 ausgezeichnet.

Verleih DVD
Paramount (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Paramount (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl., DD5.1 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
„Ist das nur Stuss – oder taugt es als Vorlage für einen Zombiefilm?“, schrieb ein Rezensent, als 2003 die deutsche Ausgabe von Alice Sebolds Romandebüt „The Lovely Bones“ erschien. Eine gute Frage, die sich auch bei Peter Jacksons Verfilmung stellt, aber auch nach dem Ende des Abspanns nicht mit Sicherheit beantworten lässt. Wobei „In meinem Himmel“ keinesfalls ein Zombiefilm ist, eher ein Mystery-Thriller. Es gibt in dem Film Momente, die eines Alfred Hitchcock würdig sind, und andere, bei denen man sich unwillkürlich fragt, welche Drogen die Macher konsumiert hatten. Dass der Film die gewohnte Wahrnehmung von Wirklichkeit hinter sich lässt, ist dabei nicht das Problem: Die Vorstellung, dass die Toten nicht ganz tot sind und vom Himmel oder irgendeinem Zwischenreich auf die Lebenden herab blicken und dabei noch etwas denken und empfinden können, ist zumindest für spirituell nicht völlig abstinente Menschen nicht neu und allemal gut genug, um sich für knapp zwei Filmstunden darauf einzulassen – erst recht, wenn man es ansonsten auf der Leinwand mit Elben und Avataren zu tun hat. Dass die Zuschauer sich mittels Filmhandlung „oben“ ein wenig umschauen und darauf einstellen können, was sie – jedenfalls nach Ansicht des Production Designers – nach dem Tod erwartet, ist so sehr ein klassischer Einfall Hollywood wie die Idee, einen Film ganz aus der Perspektive eines Verstorbenen zu erzählen. Die Handlung spielt 1974 und kreist um die 14-jährige Susie Salmon, die auch die Erzählerin des Films ist – aus dem Off, und das gleich doppelt, denn ein Nachbar hat das Mädchen in eine selbst gebaute Falle gelockt, vergewaltigt und ermordet. Vom Jenseits aus blickt Susie nun auf die Erde; sie erzählt, wie sie ermordet wurde, und beobachtet ihre Eltern, die mit dem Verlust nicht fertig werden; ihre Schwester, die langsam erwachsen wird und nun all das erlebt, was ihr selbst versagt blieb, und ihren Mörder, der sich allmählich wieder sicher fühlt und neue Gewalttaten plant. Stanley Tucci spielt diesen Mann in einem bemerkenswerten Auftritt von konzentriertem Minimalismus: Kleinste Gesten enthüllen die Perversion eines Serienmörders unter der Maske eines Spießers, der in seiner Freizeit Puppenhäuser baut und über seine Taten akribisch Buch führt. Mit Susie sieht man auch, wie die polizeilichen Ermittlungen zunächst im Sand verlaufen, bevor ihr Vater und ihre Schwester Lindsey getrennt voneinander den richtigen Verdacht schöpfen und auf eigene Faust Beweise zu sammeln beginnen. Lindsay gerät dabei allerdings selbst ins Visier des Mörders. Es sind diese ganz im Diesseitigen verhafteten Thriller-Passagen, die Bewunderung verdienen. Hier ist deutlich spürbar, wie sich Peter Jackson nach acht Jahren mit vier ebenso teuren wie erfolgreichen Bombast-Fantasy-Filmen wieder seiner Ursprünge und handwerklichen Mittel als Independent-Horrorfilmer versichert. Allerdings will Jackson in diesem Film weitaus mehr: Er möchte das Familiendrama im Hause Salmon entfalten, wo man bislang ein brav-konventionelles Vorstadtleben führte, inklusive Zierrosen im Vorgarten und einem Buddelschiffchen bastelnden Vater. Die Ehekrise kann nach der Ermordung der Tochter kaum überraschen und endet mit dem zeitweisen Auszug der Gattin. Wenn dafür Susan Sarandon als überkandidelte und Alkoholismus gefährdete Seventies-Schwiegermutter „mit Herz am rechten Fleck“ auftaucht und den Haushalt schmeißt, sorgt das immerhin für ein paar entspannende komödiantische Einlagen. Als Suburbia-Porträt taugt der Film aber nicht. Trotzdem wäre ein solcher Film ein leidlich geglücktes, leidlich konventionelles, aber kaum dauerhaft im Gedächtnis haftendes Hollywood-Drama. Der Grund, warum man „In meinem Himmel“ nicht so schnell vergisst, liegt in seiner esoterischen Grundierung, darin, dass eine knappe halbe Stunde des Films im Jenseits spielt – und das im Gegensatz zu den klassischen Vorbildern völlig ironiefrei. Als müsste man, wenn man schon vom Nicht-Sagbaren redet, wenigstens alles klar sagen und ernst meinen. Gestaltet ist dieses Jenseits komplett als Fantasieland aus einem Computer, dessen Festplatte offenkundig vor allem mit Dalí-Bildern, den „Teletubbies“ sowie den Filmen und Videoclips von Tarsem Singh gefüttert wurde: quietschbunter, zuckersüßer CGI-Kitsch und Surrealismus wie auf den Postern beim Inder um die Ecke oder auf alten 1970er-Jahre-Plattencovern: Riesenkugeln blubbern symbolisch in einem See und verwandeln sich in Grasbälle, Buddelschiffe stranden mitsamt Flasche an wilden Küsten, worauf die Flaschen pompös zerschellen. Blitze zucken, Blumenmeere wachsen und verwelken flugs, Wetter und Jahreszeiten wechseln im Sekundentakt. Dazu trifft Susie, die in diesem Zwischenreich zumeist allein ist, auf Fragmente ihres früheren Lebens, guckt den früheren Mitmenschen über die Schulter und „erscheint“ ihnen hier und da. Unterlegt ist dieses kunterbunte, ebenso sentimentale wie bizarre Durcheinander mit erwartbarer Musiksoße – und wenn dann auch noch Susies Vater bedeutungsvoll ein Poster von Caspar David Friedrichs „Wanderer über dem Nebelmeer“ an der Wand hängen hat, fürchtet man, Peter Jackson wolle damit am Ende ernsthaft signalisieren, dass sein Film als Beitrag zur Geschichte der Romantik gemeint ist. In ihren besten Momenten erinnern diese überbordenden Bilder trotzdem an eine cleane Digitalversion von Hieronymus Bosch oder wenigstens an die Hinterwelt in Terry Gilliams neuem Film „Das Kabinett des Dr. Parnassus“ (fd 39 666), die allerdings ganz und gar parodistisch gemeint ist. Hier gibt es keinen Humor. Jackson macht aus der Vorstellung eines Lebens nach dem Tod eine Horrorvision: Der Himmel ist hier die Hölle des Geschmacks.
Kommentar verfassen

Kommentieren