Kleine Wunder in Athen

Komödie | Griechenland/Deutschland 2009 | 107 Minuten

Regie: Filippos Tsitos

Ein Kioskbetreiber in Athen sitzt tagein, tagaus mit drei Freunden vor seinem Laden und schlägt die Zeit tot. Als seine betagte Mutter in einem albanischen Arbeiter ihren verlorenen Sohn zu erkennen glaubt, gerät die melancholische Existenz des Händlers in Schieflage. Mal ironisch, mal bitter-süß erzählt die lakonische, in ihrer Wendung berührende Komödie von der Selbstfindung eines sympathischen Verlierers. Dabei spießt sie Patriotismus und Xenophobie auf und verhandelt nebenbei auch die Ursachen einer dysfunktionalen Ökonomie. (O.m.d.U.; Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AKADIMIA PLATONOS
Produktionsland
Griechenland/Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Pan Ent./Twenty Twenty Vision/Greek Film Center/ZDF (Das kleine Fernsehspiel)
Regie
Filippos Tsitos
Buch
Alexis Kardaras · Filippos Tsitos
Kamera
Polidefkis Kirlidis
Musik
Nikos Kypourgos
Schnitt
Dimitris Peponis
Darsteller
Antonis Kafetzopoulos (Stavros) · Anastasis Kozdine (Marenglen) · Titika Saringouli (Mutter) · Maria Zorba (Dina) · Kostas Koronaios (Angyris)
Länge
107 Minuten
Kinostart
22.07.2010
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Stavros kann nachts nicht schlafen. Weil er seine Mutter, die er nach einem Schlaganfall rund um die Uhr betreuen muss, nicht stören will, verzieht er sich auf den Balkon, um sich stundenlang in seine Sammlung von Rockmusik-Schallplatten zu vertiefen. Sein konstant melancholischer Gesichtsausdruck, der verdächtig an Buster Keaton erinnert, spricht Bände. Obwohl ihn seine Frau vor Jahren verlassen hat, liebt er sie noch immer, stattet ihr regelmäßig einen Besuch ab und berichtet von seinen Befindlichkeiten. Tagsüber döst der 50-Jährige mit Freunden in Plastikstühlen vor seinem Kiosk in dem ruhigen Athener Stadtviertel Acadimia Platonos. Vom Geist der antiken Philosophenschule ist in den Gesprächen der notorisch nörgelnden Männer wenig zu spüren, und von Kundschaft kann auch keine Rede sein. Dafür betreiben auch die anderen drei „Unternehmer“ kleine Läden, deren Produkte niemand zu interessieren scheinen. Die verschworene Gemeinschaft muss neuerdings näher zusammenrücken. Albaner suchen als Arbeitsmigranten das Viertel heim. Umtriebige Chinesen mieten in Familienverbänden sogar ganze Lokale, um italienische Designermode zu verkaufen. Als auf dem kaum befahrenen Platz ein Denkmal für „interkulturelle Solidarität“ errichtet werden soll, brausen die Emotionen der sich an Nationalstolz überbietenden Freunde hoch und entladen sich in einem infantilen Fußballspiel, das die Baustelle zum Einsturz bringt. Als wären die globalisierten Zeiten für die stolzen Arbeitsverweigerer nicht hart genug, glaubt Stavros’ apathische Mutter urplötzlich, in einem Albaner ihren verlorenen Sohn zu erkennen. Sie spricht mit diesem perfekt albanisch, lädt ihn überglücklich zu sich nach Hause ein und erklärt, dass sie als junge Frau von Albanien nach Griechenland geflüchtet sei. Schlimmer hätte es für Stavros nicht kommen können, zumal seine Kumpel dem Dilemma, ausgerechnet einen verkappten Albaner zum besten Freund zu haben, nicht gewachsen sind. Ihr Misstrauen geht sogar so weit, dass sie dem von Identitätsfragen Geplagten beim Länderspiel untersagen, die chauvinistische Hymne „Albaner, ihr werdet niemals Griechen sein“ mitzusingen. Regisseur Filippos Tsitos, ein gebürtiger Athener, lebt seit 1991 in Berlin, wo er an der dffb Regie studierte und mit „My Sweet Home“ (fd 35 237) 2001 im Wettbewerb der „Berlinale“ war. Seine zärtliche, wunderbar lakonische neue Komödie versprüht den Charme eines frühen Jarmusch oder Kaurismäki. Sie trumpft nie auf, ihre Bescheidenheit ist ihre Stärke. Tsitos schneidet sie ganz auf das komödiantische Talent des großartigen Hauptdarstellers Antonis Kafetzopoulos zu, vertraut sich zu Recht ganz dessen mimischer Schwerkraft an. In dessen ausdrucksstarkem Gesicht spiegelt sich das schwarze Loch von Stavros’ an Höhepunkten armer Existenz, die vielen Kränkungen des männlichen Egos und die Ratlosigkeit darüber, wie das eigene Leben zu bewältigen sei. Umso überraschter ist man, als er nach der Beerdigung der Mutter und einer die Spannungen lösenden Handgreiflichkeit mit dem neuen Bruder, wieder mit einem Lächeln um den Mund schlafen kann. Endlich ruht er in sich selbst, auch wenn am nächsten Tag das Zeittotschlagen wieder seinen gewohnten Lauf nimmt. Der Film erzählt diese Selbstfindung so sicher und mitfühlend in seiner Anteilnahme an diesem sympathischen Verlierer, dass man von ihm mehr sehen möchte. Bis in die kleinste Nebenrolle ist „Kleine Wunder in Athen“ hervorragend besetzt; man beginnt die sonderbaren Figuren schnell zu mögen und charakterlich zu erfassen. Dazu kommen die sanft beobachtende, aber stets bei der Sache bleibende Kamera und der gut geölte Schnitt, der für manche Situationskomik verantwortlich ist. Ganz nebenbei verhandelt Tsitos noch messerscharf die griechische Mentalität, die gegen Veränderungen resistent zu sein scheint, das überkommene Männerbild, die Ursachen der Fremdenfeindlichkeit und eine absurd disfunktionale Ökonomie. Die Krise ist hier Dauerzustand, selten aber war sie so unterhaltsam.
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