Was Amy Berg in ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm zu erzählen hat, ist schier unglaublich: Es geht um den aus Irland stammenden Priester Oliver O’Grady, der in Kalifornien als Gemeindepfarrer wirkte und in den 1970er- und 1980er-Jahren Dutzende von Kindern missbrauchte, bevor er 1993 zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Regisseurin hat den pädophilen Geistlichen, der nach sieben Jahren Gefängnis im Jahr 2000 nach Irland abgeschoben wurde, tagelang interviewt. Man sieht einen freundlichen älteren Herrn, der sich zu seiner Vorliebe für kleine Kinder bekennt, aber die Schwere seiner Schuld letztlich nie voll anerkennt. Das ganze Ausmaß des Schreckens wird dem Zuschauer erst allmählich durch immer neue Zeugenaussagen von Opfern deutlich: Jahrelang hat O’Grady Kinder – Mädchen wie Jungen – missbraucht, das jüngste Opfer war ein Baby von neun Monaten. Er hat sich in Familien eingeschlichen und in einem Fall zuerst die Mutter verführt, um sich später an ihrem Sohn zu vergehen. Vor allem die Familie Jyono steht im Mittelpunkt. Das Ehepaar – er US-Japaner, sie Irin – berichtet, wie O’Grady ein enger Freund der Familie wurde, der oft auch über Nacht blieb. Fest im Glauben verankert und von O’Gradys Ehrenhaftigkeit überzeugt, hielten sie auch nach ersten Vorwürfen zu ihm, bis sie entdeckten, dass auch ihre Tochter ein Opfer gewesen war. Welches Leid mit dieser Enthüllung über die Familie kam, wie ihr Leben und ihr Glaube zerstört wurden, wird eindringlich vermittelt. Wenn sie im Interview davon erzählen, steht ihnen der Schmerz ins Gesicht geschrieben. Die Vorwürfe der Opfer richten sich gegen die Verantwortlichen der Kirche, vor allem gegen Kardinal Mahoney, der O’Grady immer nur in eine andere Gemeinde versetzte, ihn aber nicht des Amtes enthob. Da die Kirchenvertreter eine Mitwirkung an dem Film verweigerten, sind sie nur bei Zeugenaussagen vor Gericht zu sehen. Dort machen sie eine denkbar schlechte Figur. Gestik und Mimik sind zum Teil entlarvend.
Der Film hat ein starkes Thema und setzt es wirkungsvoll um. Er ist immer dann am stärksten, wenn er den Täter und die Opfer für sich sprechen lässt, wird aber problematisch und bisweilen ärgerlich, wenn er sich bemüht, in einem Rundumschlag die katholische Kirche als solche zu erledigen. Die Regisseurin will nicht nur die unvermeidliche Frage nach der Verantwortung des zuständigen Bischofs stellen, sie will das gesamte „System“ als Schuldigen entlarven. Dabei treten Theologen, Opferanwälte und eine Psychologin auf, die die katholische Kirche als eine Institution permanenter Kontrolle und Unterdrückung (ein Anwalt vergleicht sie explizit mit einer Sekte) erscheinen lassen, in der Kindesmissbrauch nie als Verbrechen betrachtet wurde. Dabei wird der amtierende Papst Benedikt XVI., zur Zeit der Vorfälle Präfekt der Glaubenskongregation, als Mitverantwortlicher für Verschleierungstaktiken mit einbezogen. Der Film suggeriert, dass es eine große Verschwörung gebe, wobei dies auf der Ebene spekulativer Unterstellungen bleibt, die nicht hinterfragt, sondern als Wahrheiten verkauft werden. Immerhin hat der deutsche DVD-Anbieter auf der Hülle vermerkt, dass sich die amerikanische Kirche wie der Vatikan öffentlich für den Kindesmissbrauch durch Priester entschuldigt haben.