Episodenfilm, der fünf parallel geführte Handlungsfäden um die "magische" Mittsommernacht im Baltikum entwickelt. Mehr oder weniger skurrile Protagonisten reisen durch Lettland und erleben seltsame Begegnungen. Der Film lebt von absurd-witzigen Dialogen, guten Darstellern, der sorgfältigen Kameraarbeit und dem Reiz der lettischen Umgebung. Eine kurzweilige Komödie, auch wenn ihr ein solides narratives Fundament fehlt.
- Ab 16.
Midsummer Madness
Komödie | Österreich/Großbritannien/Lettland/Russland 2006 | 88 Minuten
Regie: Alexander Hahn
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Filmdaten
- Originaltitel
- MIDSUMMER MADNESS | JANU NAKTS
- Produktionsland
- Österreich/Großbritannien/Lettland/Russland
- Produktionsjahr
- 2006
- Produktionsfirma
- Fischer Film/Kaupo Filma/Steve Walsh Prod./WE Project
- Regie
- Alexander Hahn
- Buch
- Alexander Hahn
- Kamera
- Jerzy Palacz
- Musik
- Markus Pöchinger · Boris Resnik
- Schnitt
- Justin Krish
- Darsteller
- Maria de Medeiros (Livia) · Dominique Pinon (Toni) · Orlando Wells (Curt) · Tobias Moretti (Peteris) · Chulpan Khamatova (Aida)
- Länge
- 88 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Komödie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Nicht nur in Skandinavien, auch im Baltikum ist die Mittsommernacht eine touristische Attraktion. Den Stunden vom 23. auf den 24. Juni werden magische Kräfte zugeschrieben. In Alexander Hahns Komödie „Midsummer Madness“ zieht es deshalb allerhand skurrile Gestalten, die die Gunst der Stunde nützen wollen, nach Lettland. Und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Eine mysteriöse reiche Witwe reist mit der Urne ihres verstorbenen Gatten an, um ihn in seinem Heimatland zur letzten Ruhe zu betten. Begleitet wird sie zunächst von ihrem Bodyguard und später auch vom lettischen Bestatter. Das mit schwarzen Hüten ausstaffierte Trio erinnert in seinem eigentümlichen Äußeren an Mitglieder einer Zirkustruppe. Die Fahrt durch Lettland endet bei einem auf einem Hügel errichteten Friedhof, der Kameramann Jerzy Palacz zu den schönsten Aufnahmen des Films inspirierte: in schwarzromantischen Nebel getaucht, entsteht eine wunderbar düstere Märchenstimmung. Diese eher am Rande erzählte Geschichte ist gleichwohl bezeichnend für Hahns Episodenfilm. Ihre Handlung beschränkt sich auf eine Autofahrt, bei der kaum mehr geschieht, als dass sich die Insassen miteinander unterhalten. Wie diese Episode lebt der gesamte Film von witzigen Dialogen, schrägen Gestalten, schönen Bildern und einer bizarren Atmosphäre. Der Plot hingegen entwickelt sich weitgehend linear und oberflächlich. Das gilt für die Geschichte der nymphomanen Aida, die nach Hause fährt, um ihren – angeblich japanischen, in Wirklichkeit aber chinesischen – Freund den Eltern vorzustellen, aber auch für die Episode der beiden Feuerwehrmänner, die sich ihre mehr als nur freundschaftliche Zuneigung nicht eingestehen wollen; als sie nackt im See baden, zünden ihre Kollegen ihnen die Kleider an. Oder für das Geschäftstreffen, bei dem der abgehalfterte Russe Leonid mit seinen ausländischen Gästen Karl und Axel den Vertrag seines Lebens abschließen möchte. Es gilt auch für den Erzählstrang, der den größten Raum einnimmt: der Amerikaner Curt sucht darin seine (angebliche) Halbschwester, von deren Existenz er bis vor kurzem nichts wusste. Auch hier spielt sich ein Großteil des Geschehens im Auto ab. Die Komik ergibt sich aus dem kulturellen Gefälle zwischen dem verschlossenen Curt und dem lebensfrohen, recht schwatzhaften lettischen Taxifahrer Oskars, der den Amerikaner durchs Land chauffiert. Zwar entwickelt sich die Suche nach der Halbschwester am Ende zur romantischen Liebesstory. Doch auch diese Plotwende fällt wenig originell aus. Dass es zwischen den fünf parallel erzählten Episoden fast keine Berührungspunkte gibt und sie auch am Schluss nicht miteinander verknüpft werden, ließe sich verschmerzen, bilden sie zusammen doch eine konzeptionelle Einheit, deren eigentliche Hauptfigur Lettland darstellt; als Chiffre für die Suche nach Heimat, Identität oder auch Liebe. Ungleich problematischer aber ist, dass auch in den einzelnen Episoden kaum etwas Nachhaltiges geschieht. Denn die narrative Oberflächlichkeit wird durch die pointierten Dialoge und die pittoresken Aufnahmen nicht etwa wettgemacht. Vielmehr droht mit dem schwachen erzählerischen Fundament das gesamte filmische Gebäude in sich zusammenzustürzen. Zumindest erhält es deutliche Risse. Die ganze Absurdität erscheint, da sie nicht aus dem Geschehen resultiert, aufgesetzt und unglaubwürdig. Man muss ein wenig zu oft an die Filme Emir Kusturicas oder an Jim Jarmuschs „Night on Earth“ (fd 29 256) denken. Vergleiche, die der Film evoziert, die ihm aber schaden, weil er ihnen nicht standhält. Unterm Strich ist Hahn, der in Lettland seine Kindheit, in Deutschland die Jugend verbrachte und in Österreich Film studierte, trotzdem eine flotte und manchmal freche romantische Komödie gelungen, der man jedoch anmerkt, dass sie viel mehr sein wollte.
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