Das gelbe Segel

- | USA 2008 | 102 Minuten

Regie: Udayan Prasad

Zwei Teenager treffen bei ihrem Versuch, in ein neues Leben durchzustarten, auf einen älteren, soeben erst aus dem Gefängnis entlassenen Mann, der zu seiner Ex-Frau nach New Orleans will, um zu erfahren, ob sie noch etwas für ihn empfindet. Allmählich kommen sich die ungleichen Reisegefährten näher. Stimmungsvoll setzt das Road Movie die Landschaften am Mississippi in Szene. Dabei wird die mit inneren Verwundungen und Problemen überladene Handlung von den souveränen Darstellern und der geradlinigen Inszenierung weitgehend austariert. - Ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE YELLOW HANDKERCHIEF
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Arthur Cohn Prod.
Regie
Udayan Prasad
Buch
Erin Dignam
Kamera
Chris Menges
Musik
Jack Livesey
Schnitt
Christopher Tellefsen
Darsteller
William Hurt (Brett) · Maria Bello (May) · Kristen Stewart (Martine) · Eddie Redmayne (Gordy) · Emmanuel Cohn (Arzt)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Ein Paar in mittleren Jahren, ein anderes im Teenager-Alter: Um vier verwundete Seelen kreist dieses stille Road Movie. Drei davon verbringen die längste Zeit des Films gemeinsam in einem blauen Cadillac, die vierte ist in den Erinnerungen und Gedanken des älteren Reisegefährten mit dabei: Brett Hanson, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, wo er sechs Jahre wegen Totschlags saß. An einer entlegenen Fährstation in Louisiana trifft er auf die beiden Teenager Martine und Gordy, die nicht mehr miteinander verbindet als der Drang, von dort wegzukommen, wo sie gerade sind. Schnell fasst Martine Vertrauen zu dem wortkargen Mann und lädt ihn ein, mit ihnen zu fahren. Ein heftiges Unwetter macht aus den drei Außenseitern eine Schicksalsgemeinschaft wider Willen. Die Nacht verbringen sie in einem schäbigen Motel, wo sie fernsehen und warten: die unglücklich verliebte Martine darauf, dass jemand anruft, dass sich jemand um sie sorgt – wenn schon nicht der Junge, der sie wenige Stunden zuvor zurückwies, dann zumindest ihr Vater. Nach Zuneigung und Aufmerksamkeit sehnt sich auch der unsichere Gordy, der überzeugt davon ist, ein Freak zu sein und der seine Komplexe mit Angeberei zu kompensieren versucht; reichlich ungeschickt überfällt er Martine mit seinem Wunsch nach Körperlichkeit. Brett wartet darauf, dass die Zeit vergeht – bis er sich in New Orleans davon überzeugen kann, ob seine Ex-Frau May noch etwas für ihn übrig hat. Nach der Entlassung hatte er ihr eine Postkarte geschrieben. Wenn sie ihn wiedersehen will, soll sie das gelbe Segel an ihrem kleinen Boot hissen. Er ist der einzige der drei, der so etwas wie ein Ziel vor Augen hat. Gemeinsam reisen sie den Mississippi entlang Richtung Süden. Als der Ex-Sträfling, der vor allem für das Mädchen so etwas wie eine Vaterfigur wird, unterwegs in eine Schlägerei gerät und von der Polizei festgenommen wird, erfahren Martine und Gordy von seiner Knastvergangenheit. Aus Neugierde, aber auch aus Zutraulichkeit warten beide vor dem Revier auf ihn – und Brett, der seinerseits Vertrauen gefasst hat, erzählt ihnen auf der Weiterfahrt seine Geschichte mit May: von der schwierigen Annäherung, der glücklichen Zeit miteinander, dem traurigen Ende und dem tragischen Vorfall, der ihn schließlich ins Gefängnis brachte. „Das gelbe Segel“ ist ein Film über Freundschaft, eine Art Remake des japanischen Films „Shiawase no kiiroi hankachi“ (1977) von Yôji Yamada, eher atmosphärisch denn handlungsorientiert, woran nicht zuletzt die Bilder des Kameramanns Chris Menges großen Anteil haben. Eindrücklich hat er die flachen Landschaften des Mississippi-Deltas eingefangen und die Zerstörungen, die der Hurrikan Katrina hinterließ. Die Farben Grün, Gelb und Blau prägen den Film, der über die äußere vor allem von einer inneren Reise erzählt. Am Ende haben sich alle Protagonisten geöffnet, aufeinander ein- und Gefühle zugelassen. Etwas überladen mit Leid, Verwundungen, Tränenseligkeit kommt „Das gelbe Segel“ daher; ein bisschen mehr „Normalität“ hätte dem Film und seinen Protagonisten, die allesamt etwas von verletzten, um sich schlagenden Tieren an sich haben, sicherlich gut getan. Manchmal nehmen die Befindlichkeiten überhand. Dann wünschte man dem Film mehr Bodenständigkeit, zugleich aber auch weniger von der Erdenschwere, die dem Plot anhaftet. Doch die Darsteller sind derart überzeugend, dass sie über die Schwächen des Drehbuchs zumeist hinweg spielen. Allen voran William Hurt, der allein durch seine Mimik im Grunde alles über Brett und dessen Changieren zwischen Stärke und Selbstmitleid erzählt. Aber auch Kristen Stewart ist großartig als trotzig-hochnäsiges Mädel, das sich seiner sexuellen Ausstrahlung vergewissert; Eddie Redmayne und Maria Bello runden den gelungenen Cast ab. Die geradlinige, souveräne Inszenierung des indischstämmigen Regisseurs Udayan Prasad, der bisher vor allem mit zwei Culture-Clash-Filmen, „Brothers in Trouble“ (fd 32 097) und „My Son the Fanatic“ (1997), in Erscheinung trat, tut dem melancholischen Stoff gut. Zu einem überzeugenden Wurf fehlt es der Produktion (hinter der der legendäre Filmproduzent Arthur Cohn steht) aber an einer gewissen Leichtigkeit – ein schöner, stimmungsvoller „kleiner“ Film ist „Das gelbe Segel“ aber dennoch geworden.
Kommentar verfassen

Kommentieren