Ichi - Die blinde Schwertkämpferin

Martial-Arts-Film | Japan 2008 | 120 Minuten

Regie: Fumihiko Sori

Eine von Geburt an blinde Kriegerin kann ihr fehlendes Sehen durch besondere Sensibilität der anderen Sinnesorgane ausgleichen und so jedem Gegner die Stirn bieten. Der Martial-Arts-Film um eine weibliche Variante der populären "Zatoichi"-Figur besticht durch lyrisch-melancholische und bildgewaltige Momente. Im zentralen Handlungsstrang an Akira Kurosawas Klassiker "Die sieben Samurai" angelehnt, zieht sich wie ein roter Faden eine spröde Melancholie durch den visuell intensiven Film, der aufscheinendes Pathos immer wieder angemessen aufbricht. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ICHI
Produktionsland
Japan
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Sedic International/Cinema Café
Regie
Fumihiko Sori
Buch
Kan Shimosawa
Kamera
Keiji Hashimoto
Musik
Michael Edwards · Lisa Gerrard
Schnitt
Mototaka Kusakabe
Darsteller
Haruka Ayase (Ichi) · Takao Osawa (Toma Fujihira) · Shidou Nakamura (Banki) · Yôsuke Kubozuka (Toraji Shirakawa) · Akira Emoto
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Martial-Arts-Film
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
REM (16:9, 2.35:1, DD5.1 jap./dt.)
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Diskussion
Es beginnt mit reinem Geräusch: Windrauschen, Schritte eines Menschen, der langsam durch Schnee stapft. Dann sieht man das Weiß einer Schneedecke in einer Vollmondnacht und denkt an „Lady Snowblood“ von Toshiya Fujita (1973) – schließlich sitzt man in einem japanischen Martial-Arts-Film. Dann erst erkennt man: Ein blinde Frau schlurft mühsam während eines Wintersturms durch Dorfstraßen. Sie bettelt, bleibt erfolglos, dann versucht einer, ihre Not und Blindheit auszunutzen und will sie vergewaltigen. Eine kurze schnelle Bewegung, dann sind zwei Finger der Hand, die den jungen Frauenkörper an der falschen Stelle berühren wollte, abgeschnitten, und die junge Frau murmelt „Achtung! Ich weiß nie, was ich schneide. Ich kann nicht sehen.“ Trauergesang senkt sich über die Titelzeilen, und noch ein mal ist die Leinwand weiß von Schnee, während man eine Gruppe von jungen Frauen mit runden Kopfbedeckungen durch eine Winterlandschaft marschieren sieht. Die merkwürdige spröde Melancholie dieser ersten Momente holt den Film immer wieder ein und bricht sein gelegentlich aufscheinendes Pathos immer wieder angemessen. So wird die Heldin eingeführt, „Ichi“ statt „Zatoichi“, eine Verweiblichung des populären Martial-Arts-Charakters, die weniger durch Komik als durch Emotion und Rachedurst gekennzeichnet ist. Die Erzählung „Zatoichi Monogatari“ von Kan Shimozawa ist die Grundlage für eine der populärsten Figuren der japanischen Popkultur: Den blinden Schwertkämpfer Zatoichi. In nicht weniger als 26 Filmen und einer Fernsehserie zwischen 1962 und 1989 wurde dieser Charakter zur Kultfigur. 2003 spielte und inszenierte ihn Takeshi Kitano in „Zatoichi – Der blinde Samurai“ (fd 36 547). Nun ist er das Vorbild für die Hauptfigur in Fumihiko Soris Film, der viele Motive früher „Zatoichi“-Filme aufgreift, sie aber auch stark verwandelt: Wieder spielt alles in der Edo-Periode (1603-1868), wieder ist (Zato)Ichi eine Einzelgänger- und Außenseiter-Figur, die ruhelos durch die Dörfer zieht und deren menschlichste Regung in der Neigung zum Glücksspiel besteht. Das wichtigste Motiv für die Hauptfigur ist aber die Blindheit Ichis, verbunden mit einer außergewöhnlichen Sensibilität der übrigen Sinne, besonders des Gehörs. Sie setzt Ichi nicht nur in die Lage, gegen jeden Gegner im Kampf zu bestehen – ganz ähnlich wie bei Ichis westlichem Verwandten, dem Marvel-Comic-Helden Daredevil. Ichi war von Geburt an blind, wie schon ihr Vater. Der bildete sie zur Kämpferin aus, gab sie aber auch in eine Schule für „Goze“ ab. So nannte man früher in Japan jene blinden Wandermusikerinnen, die ihr Leben mit dem Spiel des „Shamisen“-Saiteninstruments bestritten. Eines Tages nutzte ein Kunde Ichis Blindheit aus und vergewaltigte sie, woraufhin sie die Gruppe verlassen musste. Die Passage, in der dies in einem minutenlangen Rückblick erzählt wird, der mehrere Erzählstränge bündelt, ist eine der gelungensten des Films: Ganz lyrisch, ohne Dialoge, nur mit Musik, ist dies zwar manchmal nahe am Kitsch inszeniert, aber doch intensives, weil visuell starkes Kino. Die obligatorischen Kampfszenen bleiben zum Teil weniger in Erinnerung, was auch dem lakonischen Kampfstil japanischer Martial-Arts-Filme geschuldet ist, die im Vergleich zu chinesischen Inszenierungen die Kämpfe weniger elegisch dehnen und in Zeitlupe darbieten, sondern auf den kurzen Höhepunkt konzentriert sind. Die Elegie liegt hier eher in der Vorbereitung. Wie bereits viele frühere „Zatoichi“-Filme, zuletzt Kitanos, enthält auch dieser überdeutliche Verweise auf Akira Kurosawas Filme „Die sieben Samurai“ (fd 10 845) und „Yojimbo“ (fd 23 508), die wiederum auf frühere, in der Edo-Periode angesiedelte literarische Stoffe zurückgehen, und belegt damit unter anderem, dass Takeshi Kitano künstlerisch weit weniger originell und „unjapanisch“ „zwischen Ost und West angesiedelt“ ist, als es manchen westlichen Beobachtern scheint. An „Die sieben Samurai“ erinnert vor allem der zentrale Handlungsstrang um ein Dorf, das von einem Warlord und seiner Gang drangsaliert und beraubt wird. Dass am Ende die Seite des Guten siegt, darf man erwarten, zumal Soris Film stellenweise spürbar auch auf den westlichen Markt zielt und es Japan-Desinteressierten nicht übermäßig schwer macht.
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