- | Deutschland/Taiwan 2008 | 92 Minuten

Regie: Monika Treut

Eine Hamburger Künstlerin reist nach Taipeh, um mit dem plötzlichen Tod ihrer taiwanesischen Geliebten klar zu kommen. Dort heftet sich eine Journalistin an ihre Fersen, die vom Schicksal der Toten besessen scheint. Mystische Geschichte um Liebe und Verlust, die kunstvoll zwischen verschiedenen Zeitebenen und kulturellen Welten changiert. Der Film glänzt mit einer überzeugenden visuellen Umsetzung und einer charismatischen Hauptdarstellerin, leidet allerdings an seiner mit Informationen überfrachteten Erzählung. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Originaltitel
GHOSTED | Ai-Mei
Produktionsland
Deutschland/Taiwan
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Hyena Films/Chi & Company/PTS/ZDF/3sat
Regie
Monika Treut
Buch
Astrid Ströher · Monika Treut
Kamera
Bernd Meiners
Musik
Uwe Haas
Schnitt
Renate Ober
Darsteller
Inga Busch (Sophie Schmitt) · Huan-Ru Ke (Ai-ling Chen) · Ting-Ting Hu (Mei-li Wang) · Jana Schulz (Katrin Bendersen) · Marek Harloff (Leon)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt. & taiwan. & engl.)
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Diskussion
Remembrance, lautet der Titel einer Videoinstallation, die die Künstlerin Sophie Schmidt in einem Ausstellungsraum in Taipeh präsentiert. Die Arbeit ist ihrer verstorbenen taiwanesischen Geliebten gewidmet, die unter ungeklärten Umständen in Hamburg ums Leben kam. Auf den projizierten Videobildern ist viel von der Intimität zwischen Sophie und Ai-ling zu spüren, die sich verführerisch der Handkamera zuwendet, und auch der filmende Blick erzählt viel über Sophies Begehren. Der Verlust der Geliebten ist schwer zu begreifen, denn die Bilder halten die Tote weiter am Leben. Auf der Leinwand wirkt sie lebendig und absolut gegenwärtig, gleichzeitig verleiht ihr das Wissen um ihren Tod eine geisterhafte Präsenz. Mit sehr einfachen Mitteln zeigt die Filmemacherin Monika Treut, dass Geistererscheinungen nicht zwangsläufig mit übersinnlichen Phänomenen zu tun haben müssen. Fotos und Videobilder der Verstorbenen tauchen in „Ghosted“ immer wieder auf, aber es sind vor allem die Bilder der Erinnerungen und Träume, die Sophie in der Vergangenheit festhalten. Manchmal sind diese so stark, dass sie in wesenhafter Gestalt in Erscheinung treten. Unvermutet taucht eine mysteriöse Frau auf, Mei-li – angeblich eine Journalistin, die von einer Zeitung beauftragt wurde, ein Porträt über die Künstlerin zu schreiben. Doch Mei-lis Interesse geht weit über das Professionelle hinaus. Sie dringt in Sophies Leben und ihre Vergangenheit mit Ai-ling ein und scheint sich zunehmend die Rolle der Verstorbenen anzueignen. Als Sophie Nachforschungen über die phantomhafte Frau anstellt, erfährt sie, dass diese gar nicht existiert. Zu ihrer mystischen Geschichte um Liebe und Verlust wurde Monika Treut bei den Recherchen zu ihren beiden Dokumentarfilmen „Made in Taiwan“ und „Den Tigerfrauen wachsen Flügel“ (beide 2005) angeregt. Taiwan ist für eine Geistergeschichte natürlich ein interessanter Boden – in dem asiatischen Land hat sich in den letzten Jahrzehnten ein ebenso rasanter wie radikaler Umbruch vollzogen, aus dem ehemaligen Agrarstaat ist ein moderner Standort für Hochtechnologien geworden. Gleichzeitig werden immer noch archaische Traditionen und Riten praktiziert wie beispielsweise der Geistermonat, in dem die Verstorbenen geehrt und Opfer für sie dargebracht werden. Treut vermischt in „Ghosted“ das asiatische Geistermotiv mit dem Motiv des Doppelgängers, das man aus der deutschen Romantik kennt. Aber nicht nur die Frauenfigur wird gedoppelt. Es gibt zwei Zeitebenen, zwei Kulturen, zwei Städte, und der Film wechselt ebenso nahtlos zwischen Vergangenheit und Gegenwart wie zwischen Taipeh und Hamburg. Manchmal braucht man eine Weile, um sich zu orientieren – auch der Hamburger Hafen kann exotisch und fremd aussehen. Was auf der visuellen Ebene so fließend und fast traumwandlerisch erscheint, findet im Drehbuch jedoch keine Entsprechung. Die Erzählung wirkt irgendwie hölzern, mit Informationen und falschen Fährten überfrachtet, zwischen den Figuren kann sich dadurch nur wenig entwickeln. Auch die Dialoge sind überraschend selbsterklärend – vielleicht sollte hier einer möglichen Verwirrung vorgebeugt werden, die eine nicht-lineare Handlung mit einer bizarren Doppelgängerin nun mal mit sich bringt. Ohne Frage trägt die Schauspielerin Inga Busch diesen Film. Sie spielt Sophie Schmidt als eine Frau, die regelrecht verhangen ist von Erinnerungen an die verlorene Geliebte – eine ambivalente Figur, die gleichzeitig stark ist wie scheu, präsent und trotzdem in sich gekehrt. In ihrer sichtbaren Abwesenheit wirkt sie manchmal selbst wie ein Geist, doch am Ende ist sie ein Stück weit mehr ins Leben zurückgekehrt.
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