Sieben Tage Sonntag

Drama | Deutschland 2007 | 80 Minuten

Regie: Niels Laupert

Zwei Jugendliche in einer Plattenbau-Siedlung leben in den tristen Alltag hinein, trinken, stehlen, randalieren und lassen ihrer überschüssigen Energie in sinnloser Destruktion freien Lauf. Am Ende kommt es zu einer Schreckenstat. Ein ergreifend puristisches, fast dokumentarisch anmutendes Sozialdrama, das nachvollziehbar macht, wie mentale Verwahrlosung in pure Körperlichkeit und blinde Zerstörungswut mündet. Der visuelle Realismus verdichtet sich noch durch das überzeugende Spiel der Hauptdarsteller, entspricht aber auch der unreflektierten Spontanreaktion der Gesellschaft auf Taten, die an der Menschlichkeit zweifeln lassen. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Bartel laupert Dierbach Prod./HFF München
Regie
Niels Laupert
Buch
Niels Laupert
Kamera
Christoph Dammast
Musik
Michael Heilrath
Schnitt
Hansjörg Weissbrich
Darsteller
Ludwig Trepte (Adam) · Martin Kiefer (Tommek) · Jil Funke (Sara) · Karin Baal (Oma) · Antonio Wannek (Bartek)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Am siebten Tage sollst Du ruhen. Für Adam und Tommek hingegen ist nach acht Jahren Schulpflicht jeder Tag zum Sonntag geworden. Göttliche Gebote sind in ihrer Plattenbau-Siedlung ohnehin nicht en vogue. Für Adams Großmutter gelten sie zwar noch, doch die ist nach der Nachtschicht viel zu erschöpft, um ihre mit Marienbilden übervolle Wohnung für den Gottesdienst zu verlassen. Hier wuchs Adam zwischen Dosen-Ravioli, abblätternden Tapeten und herausspringenden Sicherungen auf. Man schreibt den 14. Januar 1996, ein Sonntag, wie Adam rückblickend berichtet, auf dessen Erlebnissen die Binnenhandlung von Niels Lauperts Debütfilm beruht. Dass sich diese laut Abspann in Polen ereigneten, Laupert aber in Leipzig drehte, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Anonymität und Tristesse der Trabantenstädte gleichen sich grenzüberschreitend; genauso wie das Scheitern und die Perspektivlosigkeit ihrer Bewohner, vor 13 Jahren wie heute. Hier sind die Kinderschaukeln der Spielplätze, die der impressionsreich-unterkühlte Vorspann einfängt, immer noch verlassen oder von Jugendcliquen okkupiert, die ihr Heil im Alkohol, im Schnüffeln von Lösungsmittel und in kleinen Beutefeldzügen suchen. Als einer dieser zukunfts- und perspektivlosen „Rumstreuner“ wird auch Tommek eingeführt, der für Adam ein ebenso bewundertes wie gefürchtetes, von Tinten-Tätowierungen geflecktes Vorbild ist. Beim gemeinsamen Messwein-Klauen verschwindet Tommek, das Trinken und Randalieren in einer alten Fabrikhalle initiiert er hingegen, wie auch das Zutreten auf ein wehrlos am Boden liegendes Opfer ihres aggressiven Zigaretten-Schnorrens. Der zurückhaltende Adam und der großspurige Tommek wissen nichts mit sich anzufangen; ihre überschüssige Energie und ihre brodelnde Wut, die mit dynamischen Kamera- und Musikeinsätzen unterstrichen werden, lassen sie in sinnloser Destruktion ab. Einzig der rivalisierende Besitz von Sarah, die von Adam geliebt und von Tommek begehrt wird, stellt noch ein Ziel dar, für das es sich zu kämpfen lohnt. Als ihnen dieses bei einer Party in einer abrissreifen Wohnung vorenthalten wird, steht plötzlich ein fataler Satz im Raum: „Ich wette, dass Du keinen Menschen umbringen kannst.“ Am Ende dieser blutigen Nacht wird sich die Gesellschaft einmal mehr wundern, wie es zu solchen scheinbar unmotivierten Schreckenstaten kommen konnte. „Sieben Tage Sonntag“ ist ein ergreifend puristisches Sozialdrama, das nachvollziehbar macht, wie mentale Verwahrlosung in pure Körperlichkeit und blinde Zerstörungswut mündet. Laupert, der über einen Zeitschriften-Artikel auf diesen Fall aufmerksam wurde, versucht es mit einer knapp 80-minütigen, auf das Wesentliche reduzierten Antwort, die seine scheinbar elternlosen Protagonisten weder anklagt noch freispricht. Was hier kompromisslos in beklemmend fahlen CinemaScope-Bildern observiert wird, ist ein Randbereich, den die Gesellschaft immer erfolgreicher aus ihrem Sichtfeld und damit aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Aktuell arbeitet Laupert an einem Dokumentarfilm über Adam und Tommek; der fiktionale „Sieben Tage Sonntag“ entstand innerhalb von 16 Drehtagen als lockere, räumlich und zeitlich losgelöste Rekonstruktion. Dokumentarisch mutet die Herangehensweise dennoch an, wenn sich die nüchterne Kamera von Christoph Dammast unter die Jugendlichen mischt oder hinter ihnen her durch die Fluchten der uniformen Hochhäuser streunt. Der visuelle Realismus wird dabei durch das überzeugende Spiel von Ludwig Trepte und Martin Kiefer komplettiert, deren Dialoge bis ins kleinste Slang-Detail eine ungewohnte Authentizität atmen. Lauperts Figuren erhalten Facetten, die anderen Tätern wohl aus einem gewissen Erklärungsimpetus heraus vorenthalten werden: Sie wanken zwischen Verantwortung, Loyalität und Geltungsbedürfnis, aber auch zwischen Angst, Unsicherheit und purer Wut. Während Laupert vor allem auf der Tonspur den drastischen Schrecken körperlich fühlbar macht, ihn an anderer Stelle aber komplett ausspart, bleibt die Motivation des spontanen Gewaltausbruchs letztlich ebenso im Dunkeln wie die anschließende Reue. Das verleiht den Figuren einen fast schon entschuldigenden Anstrich des Wahnsinns, entspricht aber auch der unreflektierten Spontanreaktion der Gesellschaft auf Taten, die in ihrem bestialischen Ausmaß grundsätzlich an der Menschlichkeit zweifeln lassen.
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