Eine junge Malerin aus Ibiza schließt sich in Madrid einer Künstlergemeinschaft an. Sie verliebt sich, verliert ihren Geliebten aber wieder. Unter Hypnose stößt sie auf frühere Schichten ihres Unterbewusstseins, in der sich die jahrtausendelange Unterdrückung des Weiblichen eingeschrieben hat. Eine surreale, an Themen und Motiven überquellende Hommage an die Frauen, welche die Magie der menschlichen Existenz, die geheimnisvolle Macht des Zufalls und die schicksalhafte Kraft der Liebe beschwört.
- Ab 16.
Caótica Ana
- | Spanien 2007 | 118 Minuten
Regie: Julio Medem
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Filmdaten
- Originaltitel
- CAÓTICA ANA
- Produktionsland
- Spanien
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Alicia Prod./Sogecine/Volcano Films
- Regie
- Julio Medem
- Buch
- Julio Medem
- Kamera
- Mario Montero
- Musik
- Jocelyn Pook
- Schnitt
- Julio Medem
- Darsteller
- Manuela Vellés (Ana) · Charlotte Rampling (Justine) · Bebe Rebolledo (Linda) · Asier Newman (Anglo) · Nicolas Cazalé (Said / Yasir)
- Länge
- 118 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Die Taube bewegt langsam die Flügel. Der Raubvogel hat sie schon im Visier, wenngleich seine Klauen noch im Handschuh des Falkners stecken. Dann fliegt er schreiend los und tötet den wehrlosen Vogel. Taube und Raubvogel stehen zu Beginn von Julio Medems neuem Film für die uralte Ungerechtigkeit, die die Geschichte des Planeten seit Ewigkeiten durchzieht. Taube und Falke stehen aber auch für die Unterdrückung des Weiblichen durch die Aggression des Männlichen. „Caótica Ana“ ist die Geschichte einer jungen Frau, die als Medium und aus dem Unterbewussten heraus die Ungerechtigkeit der Welt am eigenen Leib erlebt, von der brutalen Unterdrückung der Sahauri durch das marokkanische Militär bis hin zu den harten Lebensbedingungen der Reste der Hopi-Kultur in der nordamerikanischen Sand- und Felsenwüste.
Am Anfang steht eine junge Frau in fast paradiesischem Frieden, in einer sonnendurchfluteten, mediterranen Landschaft, in der die Zeit still zu stehen scheint. Ana lässt sich im kristallblauen Mittelmeer treiben. Die blonde junge Malerin lebt mit Klaus, ihrem wortkargen deutschen Vater, im malerischen Ex-Hippie-Paradies Ibiza. Ihre bunten, dekorativen Bilder erinnern an die archaisch-magische Welt vergangener Stammeskulturen. Eines Tages betritt die reiche Französin Justine ihre Höhlenwohnung und nimmt die junge Frau mit nach Madrid. Die ältere Frau unterhält dort eine Nachwuchskünstlerkommune, die, so Ana an ihren Vater, wie „Hausbesetzer in einem verlassenen Palast“ leben: Videokünstler, Maler, Szenografen, die mit Sex, Drogen und vielfältigen Formen künstlerischen Ausdrucks experimentieren. In Briefen an „den alten Höhlenbären“ beschreibt Ana ihr neues Leben. Sie verliebt sich zum ersten Mal in einen jungen Maler aus der ehemaligen spanischen Sahara. Doch als sie nach einer brutalen Halluzination das Bewusstsein verliert, ist ihr Geliebter verschwunden. Unter Hypnose stößt Ana auf tiefere Schichten ihres Unterbewussten, auf ihre früheren Leben – und auf das Jahrtausende alte Schicksal von Frauen an den verschiedensten Plätzen der Welt: Krieg, Vergewaltigung, Trauer und Tod von Afrika bis Amerika, von Madrid nach New York. Als sie erfährt, dass ihr Vater todkrank ist, kehrt sie auf die Insel zurück, in das Dorf mit der Höhle der vielen Türen. Als die beiden ihren letzten Tanz beginnen, weiß Ana noch nicht, dass ihre lange Reise durch die Abgründe der Menschheitsgeschichte immer noch nicht zu Ende ist.
Der baskische Filmemacher Julio Medem gehört zu den eigenwilligsten Vertretern des spanischen Films; fast alle Spielfilme Medems waren in Deutschland zu sehen: „Kühe“ (fd 31 572), „Tierra“ (fd 36403), „Die Liebenden des Polarkreises“ (fd 34 531) und „Lucia und der Sex“ (fd 35 553). Bei Medem geht es immer um die Magie der menschlichen Existenz, die geheimnisvolle Macht des Zufalls und die schicksalsbestimmende Verknüpfung von Lebensläufen durch die Kraft der Liebe. Fast zwei Stunden lang beschwört „Caótica Ana“ via hypnotischer Reisen und einer symbolbeladenen Inszenierung jener jahrtausendelangen Kette blutiger Ungerechtigkeiten eine eigenwillige, episodenreiche Vision der Menschheitsgeschichte, von Tod und Wiedergeburt und der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Und eine Vision des Weiblichen als Überwindung männlicher Aggressionskultur, gegen die Diktatur der Effizienz und des linearen Zeitablaufs. Dabei sind die Bildkompositionen teils archaisch, teils modern und poetisch: ein verwirrendes und stellenweise wirres Flimmern der ewigen Erinnerung.
Julio Medem hat diesen Film seiner Schwester Ana gewidmet, die auf dem Weg zu ihrer ersten Ausstellung mit dem Auto tödlich verunglückte. „Caótica Ana“ ist nicht sein bester Film, aber mit Sicherheit seine ehrgeizigste, an Themen und Motiven übervolle und mitunter bis zur Unerträglichkeit moralische Arbeit. Trotz seiner Laufzeit wirkt der Film stellenweise gehetzt und überanstrengt. Trotzdem: Medems Poesie will hier politisch werden und enthüllt einen neuen Stil des Filmemachers, was sehenswert ist, verwirrend, erschreckend, chaotisch im besten Sinne.
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